
Welche Bedeutung hat Ethik im Maßregelvollzug? Ist sie ein „must have“ oder lediglich ein „nice to have“? Mit dieser Frage haben sich auf Einladung der Vitos Klinik für forensische Psychiatrie Gießen rund 60 Teilnehmende aus ganz Deutschland beim ersten Gießener Kolloquium zu Ethik im Maßregelvollzug beschäftigt.
„Diese erste Tagung in unserer neuen Veranstaltungsreihe hat sich in Anbetracht einer Zunahme ethisch aufgeladener Versorgungssituationen eine Standortbestimmung der Ethik im Maßregelvollzug zum Ziel gesetzt“, erklärte Ärztliche Direktorin Dr. Beate Eusterschulte. „Wir möchten aktuelle und zukünftige Herausforderungen formulieren und gemeinsame Perspektiven und Lösungsansätze entwickeln.“ Zwar war es das erste Kolloquium zum Thema, aber: „Ethik begleitet unsere Klinik seit Jahren“, sagte Dr. Eusterschulte.
Das Kolloquium diente dem interdisziplinären Austausch. Die Teilnehmenden kamen aus der Pflege, der Medizin und der Psychotherapie ebenso wie aus dem Bereich der Ethik und der Sozialwissenschaften. Ethik fragt danach, wie Menschen handeln sollen und welche Werte ihr Handeln leiten sollten.
Referenten waren Madeleine Kassar, Ethikerin und Leiterin des Maßregelvollzugs in der Forensischen Psychiatrie und Psychiatrie Taufkirchen (Vils), Maria Schröder-Best vom Institut für Gesundheitsversorgungsforschung und Klinische Epidemiologie der Marburger Philipps-Universität, Jan Schürmann, klinischer Ethiker am Universitätsspital Basel, Anna Namislow-Hackenbruch, Leitende Forensische Psychologin der Vitos Klinik für forensische Psychiatrie Hadamar und Juristin, Nadja Riemat, Leitende Forensische Psychologin der Vitos Klinik für forensische Psychiatrie Hadamar, Daniel Keck, Referent der Pflegedirektion der Vitos Klinik für forensische Psychiatrie Gießen, und Jakov Gather, Arzt und Ethiker an der Ruhruniversität Bochum.
In zwei Workshops ging es um die Vermittlung ethischer Kompetenzen und um die Rolle der Pflege in der ethischen Entscheidungsfindung.
Dr. Beate Eusterschulte und Daniel Keck, Referent der Pflegedirektion, moderierten den Tag. Das große Interesse habe die Erwartungen übertroffen, sagte Daniel Keck. „Unsere Idee ist, Ethik im Maßregelvollzug multidisziplinär zu denken.“
Der Gießener Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher, der dem Forensikbeirat der Vitos Klinik für forensische Psychiatrie Gießen vorsteht, begrüßte die Gäste und dankte der Klinik für die Initiative, das Kolloquium zu veranstalten. „Das Thema Ethik berührt einen Kernbereich unseres gesellschaftlichen Selbstverständnisses“, sagte er. „Wer über Ethik spricht, spricht vor allem über Werte.“
Am Ende waren sich die Teilnehmenden einig: Ethik ist ein „must have“ und muss im Maßregelvollzug ebenso wie in allen anderen medizinischen Bereichen berücksichtigt werden. Für 2026 ist das nächste Kolloquium geplant, in dem die Ergebnisse der ersten Veranstaltung aufgegriffen und weitergedacht werden.