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Hessischer Maßregelvollzug 2017: Zwei neue Stationen, alle entwichenen Patienten zurück in Kliniken

Datum:
Fachbereich:
Forensische Psychiatrie
Gesellschaft:
Vitos gGmbH

2017 wurden im hessischen Maßregelvollzug zwei neue Spezialstationen eröffnet. Auf der einen lernen Patienten die deutsche Sprache, die andere richtet sich an Heranwachsende (Adoleszente).

Von den 2017 durchschnittlich 715 in Vitos Kliniken für forensische Psychiatrie untergebrachten Patienten sind sechs während eines unbegleiteten Ausgangs und sechs aus Dauerbelastungserprobungen zur Vorbereitung auf die Entlassung entwichen. Alle Patienten sind wieder zurück in ihren Kliniken.

Rückkehr der entwichenen Patienten
Fünf der entwichenen Patienten kehrten freiwillig zurück, sieben wurden von der Polizei zurückgebracht. Zwei Patienten waren bereits am gleichen, einer am nächsten Tag, neun nach mehr als einem Tag wieder zurück. Sechs Patienten entwichen aus der Dauerbelastungserprobung  aus dem Maßregelvollzug, sechs während unbegleitet genehmigter Ausgänge im Rahmen von Vollzugslockerungen.

Die Vitos Kliniken für forensische Psychiatrie betreiben in Hessen insgesamt 793 Behandlungsplätze, die 2017 zu rund 90 Prozent ausgelastet waren.

Neue Station für Spracherwerb
Patienten der Vitos Klinik für forensische Psychiatrie Haina, die kein Deutsch sprechen, werden seit April 2017 auf der „Station für Spracherwerb und Integration“ behandelt. Sie werden in der Vitos Klinik für forensische Psychiatrie Hadamar behandelt. Auf 21 Plätzen absolvieren die Patienten etwa ein Jahr lang einen Intensivsprachkurs. Wenn sie ein gewisses Sprachniveau erlangt haben, werden sie nach Haina zurückverlegt, um dann dort an der Regelbehandlung teilzunehmen. Das Projekt ist auf vier Jahre angelegt. Es wird wissenschaftlich extern begleitet und evaluiert.

Von dem Angebot, das sich auf den Spracherwerb konzentriert, sollen die Patienten gezielter in die Lage versetzt werden, von der Therapie profitieren zu können. Mit besserer Sprachkompetenz erhöht sich die Wahrscheinlichkeit für eine erfolgreiche Therapie und eine kürzere Verweildauer. Außerdem sind gute Sprachkenntnisse die Basis für eine gelingende Integration in die Gesellschaft nach der Entlassung.

Neue Station für Adoleszente
In der Vitos Klinik für forensische Psychiatrie Bad Emstal gibt es seit April 2017 eine Adoleszentenstation mit zwölf Plätzen. Hier werden Patienten im Alter vom 18. bis 24. Lebensjahr aus ganz Hessen behandelt. Dieses spezialisierte Versorgungsangebot ist zunächst für vier Jahre befristet.

Das neue Konzept knüpft an die Behandlung von Patienten unterhalb des 18. Lebensjahres an, die in der Vitos jugendforensischen Klinik Marburg behandelt werden. Diese Patientengruppe benötigt ein Behandlungsumfeld, in dem sie die Möglichkeit hat, den Transfer aus der Therapie in den Alltag zu leisten. Die Patienten versorgen sich hier unter erzieherischer und pflegerischer Anleitung selbst und erhalten eine Plattform, um Problemlösungsfähigkeiten, Kompromissbildung und prosozialen Konfliktlösung lernen und einüben können. Schule und Ausbildung haben hier einen wesentlich höheren Stellenwert.

Details zur Entweichungsstatistik

Sechs Entweichungen aus Vollzugslockerungen

Kliniken für psychisch kranke Rechtsbrecher (§ 63 StGB)

Zwei Patienten der Vitos Klinik für forensische Psychiatrie Haina (Standorte in Haina und Gießen) kehrten nicht wie vereinbart von unbegleiteten Ausgängen in die Klinik zurück. Einer wurde am nächsten Tag von der Polizei aufgegriffen und zurückgebracht. Einer kehrte am übernächsten Tag freiwillig zurück. Bei keinem dieser Patienten gibt es Hinweise darauf, dass sie während dieser Zeit Delikte begangen haben.

Kliniken für suchtkranke Rechtsbrecher (§ 64 StGB)

In der Vitos Klinik für forensische Psychiatrie Bad Emstal wurde ein Patient im offenen Therapiebereich abends nicht angetroffen und war nicht mehr erreichbar. Er wurde nach acht Tagen von der Polizei zurück in die Klinik gebracht. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass er während seiner Abwesenheit ein Delikt begangen hat.

In der Vitos Klinik für forensische Psychiatrie Hadamar kehrten zwei Patienten nicht vereinbarungsgemäß aus unbegleitet genehmigten Ausgängen zurück. Einer wurde nach fünf Tagen von der Polizei zurückgebracht und wurde während seines Fernbleibens beim „Schwarzfahren“ erwischt. Der andere Patient kam nach sieben Tagen freiwillig in die Klinik zurück, ohne dass es Hinweise auf ein Delikt während seines Fernbleibens gibt.

Klinik für jugendliche Rechtsbrecher (§§ 63 und 64 StGB)

Aus der Vitos jugendforensischen Klinik Marburg (mit Patienten, die nach §§ 63 und 64 StGB eingewiesen werden) kehrte ein Patient nicht von einem genehmigten Ausgang zurück. Er wurde nach 17 Tagen von der Polizei aufgegriffen. Bei dem Patienten gibt es keine Hinweise darauf, dass er während dieser Zeit Delikte begangen hat.

Sechs Entweichungen aus der Dauerbelastungserprobung (Entlassungsurlaub)

Kliniken für suchtkranke Rechtsbrecher (§ 64 StGB)

Ein Patient der Vitos Klinik für forensische Psychiatrie Bad Emstal wurde während seiner Dauerbeurlaubung beim „Schwarzfahren“ erwischt. Nach dem Verlassen des Polizeireviers war er 13 Tage lang nicht mehr erreichbar. Er wurde dann von der Polizei aufgegriffen und zurückgebracht. Es gibt keine Hinweise auf weitere Delikte während seiner Entweichung. Ein weiterer Patient dieser Klinik kehrte zunächst nicht vereinbarungsgemäß in die nachsorgende Einrichtung zurück, stellte sich jedoch noch am gleichen Tage freiwillig. Der gleiche Patient entwich eine Woche später erneut und wurde neun Tage später von der Polizei zurückgebracht. Ein anderer Patient dieser Einrichtung entfernte sich unerlaubt, kehrte aber am gleichen Tag freiwillig zurück.

Der Zustand eines Patienten der Vitos Klinik für forensische Psychiatrie Hadamar, der sich in der Dauerbeurlaubung in einer nachsorgenden Einrichtung befand, verschlechterte sich. Er wollte freiwillig in die Klinik zurückkehren, kam dort aber nicht an. Er wurde schließlich 30 Tage später von der Polizei zurückgebracht. Ein anderer Patient, ebenfalls in Dauerbeurlaubung in einer nachsorgenden Einrichtung, entfernte sich unerlaubt. Er kehrte 13 Tage später freiwillig dorthin zurück.

Es gibt bei keinem dieser Patienten Hinweise auf Delikte während ihrer Entweichungen.

Keine Entweichungen

Aus den Vitos Kliniken für forensische Psychiatrie Eltville und Riedstadt gab es 2017 keine Entweichungen.

Statistik: Entweichungsrate
Keine der 2017 aus Vitos Kliniken für forensische Psychiatrie entwichenen zwölf Patienten fließt in den statistischen Bundesvergleich ein. Die Entweichungsrate pro 100 Belegungsfälle (Entweichungen geteilt durch die Durchschnittsbelegung mal 100) liegt für die Vitos Kliniken für forensische Psychiatrie 2017 somit bei 0 Patienten.

Die bundesdurchschnittliche Entweichungsrate lag bei der letzten Datenerhebung 2015 bei 0,63 Patienten.

Die zuständigen Ministerien und Senate der Bundesländer hatten sich 2006 darauf verständigt, eine konzentrierte Zusammenstellung der Strukturen und Kosten des Maßregelvollzuges zu erstellen. Dieser Kerndatensatz für den Maßregelvollzug enthält Qualitätskennzahlen in Form einer Entweichungsrate.

Hintergrundinformationen

Statistik: Entweichungen und Ausbrüche
Seit 2011 werden für die Vergleichszahlen nur noch solche Ereignistypen als Entweichung gezählt, die wenig Interpretationsspielraum zulassen. Das sind Ausbrüche (Überwindung von baulichen, technischen oder personellen Hindernissen) und Entweichungen bei begleiteten Ausgängen.

Missbrauch von Vollzugslockerungen sind meistens verspätete Rückkehrer aus unbegleiteten Ausgängen. Deren Zählweise ist aber je nach Bundesland bzw. Klinik unterschiedlich. Manche zählen ab der ersten Verspätungsminute, andere räumen eine gewisse Kulanz ein. Somit sind diese Daten nicht valide und werden nicht mehr berücksichtigt. Entweichungen aus der Dauerbeurlaubung zur Vorbereitung auf die Entlassung werden im Kerndatensatz nicht erfasst.

Maßregelvollzug
In Hessen sind die Vitos Kliniken für forensische Psychiatrie mit dem Maßregelvollzug beauftragt.

§ 63 StGB: Menschen, die aufgrund einer psychischen Erkrankung, einer geistigen Behinderung oder einer Persönlichkeitsstörung eine Straftat begangen haben, werden von einem Gutachter dahingehend untersucht, ob sie zum Tatzeitpunkt nicht oder nur vermindert schuldfähig waren. Wenn das der Fall ist, und wenn aufgrund der Erkrankung weitere erhebliche Straftaten zu erwarten sind, weist sie das Gericht in eine Klinik für forensische Psychiatrie ein. Hier werden ihre Erkrankung ärztlich behandelt und eine sichere Unterbringung gewährleistet.

§64 StGB: Suchtkranke Menschen, die straffällig geworden sind und bei denen wegen ihrer Suchterkrankung erheblich Wiederholungstaten zu erwarten sind, werden in forensische Kliniken für Suchtkranke eingewiesen. Voraussetzung ist die nötige Erfolgsaussicht der Suchttherapie.

Dauerbelastungserprobung (Entlassungsurlaub)
Der Entlassungsurlaub ist für die Wiedereingliederung eines Patienten in die Gesellschaft von zentraler Bedeutung. Er findet in der Regel in einer Nachsorgeeinrichtung am Ort des zukünftigen Wohnortes statt. Bei dieser wichtigen Rehabilitationsmaßnahme soll sich der Patient über einen längeren Zeitraum (bis zu acht Monate) außerhalb der Einrichtung in relativer Selbstständigkeit bewähren. Eine Entweichung aus dem Entlassungsurlaub liegt dann vor, wenn er gegen Auflagen verstößt. Das heißt, wenn er Meldepflichten nicht einhält und für das Personal der forensisch-psychiatrischen Ambulanz nicht mehr erreichbar ist.

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