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Einzigartig in Nordhessen: Zertifikat für Borderline-Station der Vitos Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Kassel

Datum:
Fachbereich:
Erwachsenenpsychiatrie
Gesellschaft:
Vitos Kurhessen gGmbH
© Vitos Kurhessen
Mit Zertifikat: Pflegerische Stationsleitung Tabea Schwedes, Klinikdirektor Dr. Matthias Bender und Oberärztin Dr. Daniela Jung

Als einzige Station in Nordhessen hat die Station 2.2 der Vitos Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Kassel jetzt das sogenannte DBT-Zertifikat zur Behandlung von Patientinnen und Patienten mit einer emotional instabilen Störung vom Borderline-Typus bekommen. Auf der Station gibt es 25 Plätze für die Behandlung der Borderline-Störung: Ein Drittel für Diagnostik und Akutbehandlung, ein weiteres Drittel für die Krisenbehandlung bereits bekannter Patientinnen und Patienten und zu einem weiteren Drittel – sechs bis acht Plätze – für die DBT-Behandlung.   Im Fokus der auf drei Monate ausgelegten stationären Behandlung steht eine intensive Therapie, in die die unterschiedlichsten Professionen eingebunden sind: Psychotherapie und Medizin, psychiatrische Pflege, Ergo-, Kunst-, Bewegungs- und Physiotherapie sowie der Sozialdienst. Entsprechend sei ein Zertifikat wie das des Dachverbands DBT „keine Einzelleistung, so etwas gelingt nur im Team“, sagt Dr. Matthias Bender, Klinikdirektor der Vitos Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Kassel.

Von Gefühlsprotokollen und Chili-Bonbons: So sieht die Therapie aus

Die dreimonatige Behandlung ist intensiv und setzt sich aus verschiedenen Bausteinen zusammen: Im Fokus steht die ärztliche und psychologische Psychotherapie. „Die DBT soll die Patientinnen und Patienten unterstützen, eigene Ziele im Leben zu erreichen. Ferner geht es einerseits darum, den Schmerz zu akzeptieren – teilweise haben die Patientinnen sehr schwere, traumatisierende Erfahrungen gemacht – und ebenso zu akzeptieren, dass sie diese Erkrankung haben. Andererseits geht es darum, in der Therapie an Veränderungen des Verhaltens zu arbeiten, damit sich die Patientinnen beispielsweise keine Selbstverletzungen mehr zufügen, keine Drogen mehr nehmen“, erklärt Dr. Daniela Jung, selbst zertifizierte DBT-Therapeutin und Oberärztin der Station. Gefühle sollen zugelassen und nicht unterdrückt werden.

Wie die Patientinnen und Patienten mit der starken Anspannung und der Flut an Gefühlen umgehen können, lernen sie während der Behandlung, unter anderem durch sogenannte Skills. Bei hoher Anspannung, Stress, Wut nutzen die Patientinnen, unterstützt von Pflegefachkräften, den Skills-Wagen. Darin befinden sich zahlreiche Utensilien wie Chili-Bonbons, Stachelbälle, Kühlpacks, japanisches Heilöl. Sie alle haben eins gemeinsam: Sie lösen einen intensiven Reiz aus. Ob durch riechen, schmecken oder fühlen. Durch die Nutzung der Skills können die Patientinnen und Patienten ihre Anspannung besser aushalten und regulieren – als funktionale Alternative zu selbstverletzendem Verhalten. Danach können Sie sich ihren Gefühlen zuwenden.

Auch im Rahmen der Gruppentherapie ist die Gefühlsregulation ein großes Thema. Alltagssituationen werden dort gemeinsam besprochen und zu den „Hausaufgaben“ gehört unter anderem das Führen eines Gefühlsprotokolls. Was habe ich in einer bestimmten Situation gedacht und gefühlt? Wie hat mein Körper reagiert? Was war mein Handlungsimpuls? Was war in einer bestimmten Situation mein Handlungsimpuls? Waren meine Gefühle angemessen? Wie kann ich meinen Ärger regulieren? Wie kann ich künftig auf gewisse Situationen reagieren?

Ähnlich ist es bei der strukturierten Verhaltensanalyse. Dort wird hinterfragt, was einer Selbstverletzung vorausgegangen ist, wie man hätte anders reagieren können. „Allein vier Mal pro Woche gibt es Gruppentherapien mit unterschiedlichen Schwerpunkten“, sagt Dr. Jung. Hinzu kommen Einzeltherapien. „Die Therapie ist für die Betroffenen harte Arbeit. Die Bereitschaft dazu und die intensive Mitarbeit dabei sind wichtig“, sagt Dr. Matthias Bender. Schon vor dem offiziellen Behandlungsbeginn werden Therapieziele vereinbart.

Ein weiterer Baustein des Therapieangebots: Das Achtsamkeitstraining. Die Patientinnen und Patienten lernen dabei, sich vermehrt auf den Moment zu konzentrieren, nicht so sehr zu grübeln oder von belastenden Erinnerungen und Gedanken überwältigt zu werden.  

Leiden unter Stigmatisierung

Ein weiteres Problem, das viele Borderline-Patienten zusätzlich haben, ist, „dass sie sehr unter der Stigmatisierung leiden, sagt Tabea Schwedes, pflegerische Stationsleitung. „Sie denken irgendwann selbst, dass sie so sind und sich nie werden ändern können.“ Zur Therapie gehört daher auch, dass die Erkrankten Selbstwirksamkeit erfahren. „Sie können selbst Einfluss nehmen“, sagt Schwedes.

Nach drei Monaten, so sagt Dr. Daniela Jung, „geht es den Patientinnen deutlich besser, sie schaffen den Alltag leichter, sie fügen sich keine oder deutlich weniger Selbstverletzungen zu. Sie haben eine gute Basis für eine weitere ambulante Behandlung.“ Für viele ist auch eine Traumatherapie sinnvoll. Wichtig sei, dass eine Therapie ambulant fortgesetzt wird. „Man muss dranbleiben.“

Die Zertifizierung

In Hessen gibt es einige wenige DBT-zertifizierte Stationen, unter anderem in Gießen und Hadamar. In Nordhessen ist die Station der Kasseler Vitos Klinik die einzige Station mit Zertifikat.  Wer das Zertifikat des Dachverbands Dialektisch Behaviorale Therapie (DBT) bekommen möchte, muss ein Behandlungskonzept vorlegen, mehrere DBT-Therapeuten nachweisen, mindestens sechs Behandlungsplätze für Borderline-Erkrankte haben und mindestens 25 Behandlungen jährlich nachweisen können.

Vorgegeben ist weiterhin, dass es DBT-Einzeltherapien jede Woche gibt, Skillstraining, Psychoedukation und eine Selbsthilfegruppe. Regelmäßig gibt es DBT-Workshops in der Klinik Alle zwei Jahre steht eine Re-Zertifizierung an.

Info zur Erkrankung

Die Borderline-Persönlichkeitsstörung ist eine schwerwiegende generalisierte Störung der Emotionsregulation und der Impulskontrolle. Erkrankte leiden unter einer Störung der Affektregulation, können ihre Gefühle also kaum regulieren, fühlen Emotionen wie Scham, Ohnmacht und Schuld zugleich besonders intensiv. Viele Betroffene verletzen sich selbst, um die teils heftigen Anspannungen abzubauen, andere greifen zu Drogen oder Alkohol. Oft gibt es weitere Co-Erkrankungen wie Sucht, ADHS, Depressionen oder Angst.

Drei Viertel der Betroffenen sind Frauen. Zum einen würden sich Männer grundsätzlich seltener in Behandlung begeben, sagt Matthias Bender, zum anderen würden sie häufiger im Strafvollzug landen oder in der forensischen Psychiatrie behandelt werden, weil sie beispielsweise unter Drogeneinfluss Straftaten begehen. „Männer explodieren eher, Frauen implodieren“, beschreibt der Klinikdirektor.

Die Störung tritt meist auf bei jungen Erwachsenen zwischen 18 und 25 Jahren. Einen ersten Erkrankungsgipfel gibt es bereits in der Pubertät, „wir sehen die Betroffenen dann meist beim oder nach dem zweiten Erkrankungsgipfel, wenn sie um die 20 Jahre alt sind“, erklärt Klinikdirektor Dr. Matthias Bender. Die ersten fünf Erkrankungsjahre seien oft „knallig“. Werde die stationäre und anschließende Behandlung aber durchgezogen, „ist die Prognose ausgesprochen gut“.

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