Manche Operationen sind planbar. Zu den Klassikern unter diesen so genannten „elektiven Eingriffen“ gehören Kunstgelenke an Knie und Hüfte. Doch diese Auswahlmöglichkeit ist manchmal tückisch. Denn viele Patienten/-innen machen ihren OP-Termin von den Urlaubsplänen der Familie, der Erntesaison im Garten oder der Aussicht auf einen ohnehin trüben, an Höhepunkten armen Winter ab – und wünschen sich deshalb meistens eine OP in den Herbst- und Wintermonaten. „Einerseits ist das natürlich sehr verständlich“, sagt Prof. Dr. Guido Heers, Ärztlicher Direktor der Vitos Orthopädischen Klinik Kassel, „aber betrachtet man die Sache aus medizinischer Sicht, dann gibt es sehr viele gute Gründe, die für eine OP im Sommer sprechen“.
Weniger Patienten, mehr Personal
Weil gerade Kliniken mit vielen planbaren Eingriffen von Mai bis September tendenziell weniger belegt sind, profitiert der einzelne Patient in dieser Zeit: „Das fängt schon damit an, dass die Wartezeit auf einen OP-Termin im Sommer kürzer ist“, erklärt Prof. Heers. Zudem sind die Zimmer leerer, oft ist sogar eine Einzelbelegung möglich. Die Pflegenden haben ihre Patienten in der Regel mehr Zeit als im Winter, wenn das Haus voll ist. Kurz gesagt: „Der ‚Rundum-Service‘ ist im Sommer noch besser als sonst“, so Heers.
Der Winter birgt Wetter-Risiken
Eine wichtige Rolle spiele auch das Wetter. Prof. Guido Heers: „Hier birgt der Winter einfach sehr viele Risiken, die wir im Sommer nicht haben.“ Schnee, Glatteis und nasses Laub gehörten zu den schlimmsten Unfallverursachern: „Schnell ist es geschehen, und ein Sturz gefährdet das frisch eingesetzte Kunstgelenk“, so der Chefarzt für Orthopädie und Endprothetik in der Fachklink in Wilhelmshöhe.
Schneller und leichter mobil
Auch aus Sicht der Physiotherapieabteilung sticht der Sommer den Winter aus. „Unsere Patientinnen und Patienten können in den warmen Monaten leichtere Kleidung tragen“, sagt Christian Völker, Leiter des Physio-Teams. Das ist sowohl während des Aufenthalts in der Klinik aber auch gleich danach von Vorteil: Man ist mobiler, muss sich nicht groß an- und umziehen und wird einfach schneller aktiv, weil man sich draußen bis in den Abend bewegen kann. „Generell kann man sagen: In den warmen und hellen Monaten sind unsere Patienten einfach schneller wieder auf den Beinen“, erklärt Völker. Und: Auch eine Reha macht immer Sommer einfach viel mehr Spaß als im Winter.
Starke Knochen, weniger Atemwegserkrankungen
„Sonnenlicht steigert zudem unseren Vitamin D-Spiegel. Das fördert die Knochenmineralisierung, sorgt also für starke Knochen“, erläutert Dr. Claudia Bader, Chefärztin für Anästhesie, Intensiv- und Notfallmedizin in der Vitos Orthopädischen Klinik Kassel. Zudem wirke sich Vitamin D günstig auf unser Immunsystem aus. Nicht zuletzt deshalb gibt es im Sommer viel weniger Fälle von Erkältung und Grippe. Hingegen müssen im Herbst und Winter Eingriffe manchmal sogar verschoben werden, weil eine OP mit Fieber, Bronchitis oder Nasennebenhöhlenentzündung nicht stattfinden darf. Ebenso kann es vorkommen, dass das Personal im Winter knapp wird, weil eine Grippewelle übers Land zieht. „Natürlich erhalten unsere Patientinnen und Patienten im Sommer wie im Winter eine hervorragende Behandlung. Wer sich aber schon lange mit starken Schmerzen quält und die medizinische Empfehlung für ein neues Kunstgelenk hat, der sollte die Entscheidung nicht zu lange hinauszögern. Schon gar nicht, weil der Garten noch nicht winterfit ist“, schmunzelt Prof. Guido Heers.