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Historie

Die Geschichte des Standorts

Das Foto zeigt den Festsaal von Vitos Rheingau© H. Mair
Festsaal von Vitos Rheingau

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Die Geschichte der Psychiatrie auf dem Eichberg beginnt mit der ersten "Irrenanstalt" des neugegründeten Herzogtums Nassau in den Räumen des seit den Napoleonischen Kriegen säkularisierten Zisterzienserklosters Eberbach – also rund einen Kilometer vom heutigen Standort entfernt.

Das Herzogtum hatte damals dringenden Bedarf nach einem Ort, an dem psychisch kranke Menschen (damals Irre, Tobsüchtige, Tollhäusler genannt) medizinisch versorgt und untergebracht werden konnten. Das ehemalige Kloster Eberbach, das bereits als Korrektionsanstalt genutzt wurde, bot dafür gute Möglichkeiten. Nicht zuletzt aufgrund seiner abgelegenen, aber landschaftlich schönen Lage - ging doch die beginnende Reformpsychiatrie des 19. Jahrhunderts von einem heilsamen Einfluss landschaftlicher Schönheit und ländlicher Ruhe auf die "kranken Seelen" aus.

Umzug auf den „Eichberg“

1849 erfolgte der Umzug auf das Eichberggelände – das Kloster war für den gewachsenen Bedarf an Unterbringungsmöglichkeiten für psychisch kranke Menschen inzwischen endgültig zu klein geworden. Auch die damals errichteten Gebäude an einem der schönsten Punkte des oberen Rheingaus zeugen von dem Interesse, psychisch kranken Menschen ein zuträgliches landschaftliches und architektonisches Ambiente zu bieten.  

„Die Schönheit der Anlage in den Weinbergen des Rheingaus … ist allerdings … weder dem Zufall noch allein romantischer Ästhetik geschuldet. Sie ergibt sich vielmehr konsequent aus den ganzheitlichen Reformkonzepten zur Irrenpflege, die seit der Jahrhundertwende entwickelt wurden. …Die in diesem Territorium gegebenen naturräumlichen Möglichkeiten, der politische Reformwille des noch jungen Herzogtums und die Vorstellungen der Vertreter der neuen Fachdisziplin „Psychiatrie“ verbanden sich an diesem Ort – wie es in den frühen Jahren der Psychiatrie schien – zu einer vollkommenen Synthese.“ (Christina Vanja, Wissen und Irren,S.12f.) 

Ludwig Snell

Unter den ärztlichen Direktoren des Eichbergs gebührt einem besondere Aufmerksamkeit. Ludwig Snell, der erste Ärztliche Direktor und der erste Direktor des Eichbergs - sein Vorgänger Philipp Heinrich Lindpaintner war Jurist - hatte die klinische psychopathologische Untersuchung der psychiatrischen Patienten eingeführt. Dabei fiel ihm auf, dass die damals vorherrschende Lehre der Einheitspsychose unbefriedigend war. Seine klinischen Erfahrungen aus Eberbach, vom Eichberg und später in Hildesheim veröffentlichte er unter dem Titel „Monomanie als primäre Form der Seelenstörung“ (1865), womit er der Vorstellung einer Einheitspsychose mit anfänglicher Depression und nachfolgendem Wahnsinn widersprach. In der Folge beschrieben Karl Ludwig Kahlbaum die Katatonie und sein Schüler Ewald Hecker die Hebephrenie, was dann der ebenfalls klinisch untersuchende Psychiater Emil Kraepelin zur „Dementia praecox“ zusammenfasste. Eugen Bleuler in Zürich verbesserte den Namen dieser Krankheitseinheit, nahm die Schizophrenia simple von Diem hinzu, und prägte den bis heute geltenden Begriff der Schizophrenie für diese Gruppe von Krankheiten. Mit der Entdeckung von Ludwig Snell wurde die Trennung der Depressionen von der Schizophrenie eingeleitet.

In der 2. Jahrhunderthälfte verblasst der Ruhm der Reformpsychiatrie. Es kommt zu Überbelegungen ohne zusätzliches Personal und zusätzliche Räumlichkeiten, die eine nach wissenschaftlichen Standards arbeitende und forschende Medizin erschweren bis unmöglich machen. In den Universitätsstädten entstehen eigene psychiatrische Kliniken, dort wird jetzt geforscht. Die in der ersten Jahrhunderthälfte noch positive staatliche Trägerschaft des Eichbergs wird zum Nachteil, der Staat nutzt die „Heil- und Pflegeanstalt um gesellschaftliche Probleme zu regulieren“ (Christina Vanja, Wissen und Irren, S.30).

Erster Weltkrieg und Weimarer Republik 

Der 1. Weltkrieg führt zu einer Hungerkatastrophe in der deutschen Anstaltspsychiatrie mit rund 70.000 toten Patienten – gegenüber 424.000 Hungertoten insgesamt in Deutschland eine überproportional hohe Zahl. Ernährungsprobleme und Personalmangel (Ärzte und die überwiegend männlichen Pflegekräfte wurden in den Kriegsdienst eingezogen) führten auch auf dem Eichberg zu einer prekären Situation. Unerfahrene Hilfskräfte konnten die schwer kranken Patienten nicht adäquat behandeln und wechselten schnellstmöglich in andere Arbeitsstellen, was bei zunehmendem Arbeitskräftemangel durch den Krieg auch nicht schwierig war. Nach Kriegsende kehrten bis 1919 die nicht gefallenen Pflegekräfte auf den Eichberg zurück, die Personalsituation entspannte sich wieder. Aber noch 1919/1920 starben fast zehn Prozent der Patienten an Folgen der Mangelernährung.

„In der Behandlung der Kranken hat sich gegen die Vorjahre nichts geändert. … Beschäftigungstherapie für die rüstigen ruhigen Elemente … Bettruhe und Dauerbäder für die Erregten.“ (Anstaltschronik aus der Nachkriegszeit)

Mit den sich langsam wieder verbessernden Lebensbedingungen kamen auch neue Therapieansätze zum Tragen – wie etwa die Arbeitstherapie für alle, auch die schwer kranken Patienten, Versuche mit neuen Medikamenten und die so genannte Familienpflege: Das war die Unterbringung in Familien mit ambulanter Betreuung durch die Klinikärzte (durchaus auch die Rückkehr in die eigenen Familien).

Wirtschaftliche "Zwänge" beeinträchtigten die Anstaltspolitik in der späten Weimarer Republik, und mit den begrenzten Mitteln insgesamt wuchs der Ruf nach weiteren Einschränkungen der Lebenssituation der Patienten, die zunehmend als nutzlos oder „minderwertig“ wahrgenommen wurden. Der Boden für die „Rassenpolitik“ der Nazis wurde bereits in der Weimarer Republik bereitet.

Nationalsozialismus: Zwangssterilisation und Krankenmord

Menschen mit psychischen Erkrankungen, geistigen Behinderungen oder unangepasstem Sozialverhalten wurden unter den Nationalsozialisten von Anfang an systematisch diffamiert und ausgegrenzt. Bereits im Juli 1933 wurde das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ verabschiedet, das den Weg zur Zwangssterilisation von als „minderwertig“ erachteten Menschen freimachte.

In den folgenden Jahren verschlechterten sich die Lebensbedingungen für behinderte oder psychisch kranke Menschen, die in Pflegeeinrichtungen untergebracht waren, kontinuierlich. 1939 begann dann – ausgelöst durch den so genannten Euthanasie-Erlass Adolf Hitlers – die systematische Ermordung geistig behinderter und psychisch kranker Menschen.

Der Eichberg war ein Teil der Mordmaschinerie: Von Januar bis August 1941 wurde die Landesheilanstalt Eichberg als „Zwischenanstalt“ für die Mordanstalt Hadamar eingesetzt. Nachdem zunächst die Mehrzahl der auf dem Eichberg untergebrachten Patienten nach Hadamar und damit in die Gaskammer geschickt worden war, wurden aus anderen Teilen des deutschen Reichs regelmäßig Patienten zunächst nach Eltville geschickt und von hier aus dann nach Hadamar gebracht und dort ermordet.

Als im August 1941 die insgesamt sechs Gasanstalten auf dem Gebiet des deutschen Reichs ihre Vernichtungsarbeit einstellten – es war zu Unruhe unter der Bevölkerung gekommen, ausgelöst unter anderem durch öffentliche Proteste wie den des Bischofs von Münster, Clemens August Graf von Galen -, nahm die Ermordung von Patienten und Klienten ihren Fortgang in den einzelnen Einrichtungen: Gemordet wurde durch Gift, Medikamentenüberdosierung, aber auch Vernachlässigung und Mangelernährung. Die geschätzte Zahl der getöteten Eichberger Patienten liegt bei rund 4.600 Personen. Dazu kommen noch die Morde an über 450 Kindern in der „Kinderfachabteilung".

Nach 1945

Die Zeit nach 1945 war geprägt vom Kampf gegen den Hunger, erst langsam normalisierte sich die Versorgungslage, die für die psychiatrischen Einrichtungen mit ihren sowieso bereits unterernährten und geschwächten Patienten besonders prekär war. Auch der Krankenhausbetrieb lief wieder an.

Nichtsdestotrotz sollte es noch bis in die 80er Jahre dauern, bevor die Psychiatrie in Deutschland aus dem langen Schatten der nationalsozialistischen Krankenmorde trat. Auslöser für tiefgreifende Reformen war der Abschlussbericht aus dem Jahr 1975 der 1971 berufenen Psychiatrie-Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages mit seinen weitreichenden Reformempfehlungen.

Erst ab den 80-er Jahren entstand in Deutschland eine gemeindenahe psychiatrische Versorgung von chronisch psychisch kranken Menschen, die damit aus der manchmal jahrelang andauernden Hospitalisierung, also der Unterbringung in den psychiatrischen Krankenhäusern, herauskamen.

Im Zuge der Psychiatriereform entstand bei Vitos Rheingau der Unternehmensbereich, der heute unter dem Namen „begleitende psychiatrische Dienste Rheingau“ Wohn-, Arbeits- und Freizeitangebote für chronisch psychisch kranke Menschen bereithält. Das psychiatrische Krankenhaus Eichberg wurde nach und nach auf die heutige Bettenzahl reduziert. Die Kinder- und jugendpsychiatrische Fachklinik Rheinhöhe wurde auf dem Eichberggelände angesiedelt. Seit  2001 werden psychisch kranke Rechtsbrecher in der Klinik für forensische Psychiatrie Eltville gesichert und therapiert. Der jüngste Unternehmensbereich wurde 2019 in Betrieb genommen: die Klinik für Psychosomatik Eltville.

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