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Vitos gedenkt der Opfer der „Euthanasie“-Verbrechen

Datum:
Gesellschaft:
Vitos Riedstadt gGmbH

In die Zeit des Nationalsozialismus fällt das dunkelste Kapitel der deutschen Psychiatrie: Die systematische Tötung von Behinderten und Geisteskranken gilt als eines der größten medizinischen Vergehen aller Zeiten. Diese Verbrechen gegen die Menschlichkeit dürfen nicht in Vergessenheit geraten. Es ist daher das Anliegen von Vitos, die Erinnerung als Mahnung für die Zukunft wachzuhalten. Jährlich am 1. September richtet Vitos Gedenkveranstaltungen für die Opfer der „Euthanasie“-Verbrechen aus. Anlässlich des 80. Jahrestags des Beginns der systematischen Erfassung und Tötung kranker und behinderter Menschen, fand in diesem Jahr die unternehmensweit zentrale Gedenkveranstaltung in Riedstadt statt. Etwa 100 Besucher gedachten der Opfer.

© Vitos Riedstadt

Leid und Unrecht können nicht ungeschehen gemacht werden. Aber wir können daraus lernen und gegen die Stigmatisierung und Ausgrenzung psychisch Kranker kämpfen, im steten Gedenken an die Opfer. „Die Opfer stehen bei der heutigen Gedenkveranstaltung im Mittelpunkt.“ betonte PD Dr. Harald Scherk bei der Begrüßung der Anwesenden. „Die Verbrechen machen noch immer fassungslos. Zumal wir, der LWV und Vitos, mit der Verantwortung für die Nachfolge der ehemaligen Landesheilanstalten auch das Erbe dieser Verbrechen übernommen haben.“ hob die Landesdirektorin und Aufsichtsratsvorsitzende der Vitos GmbH, Susanne Selbert, das Bewusstsein für die große Verantwortung, die wir alle tragen, hervor. Anhand der Geschichte von Luise Nauhaus zeichnete sie einen symptomatischen Lebenslauf eines Opfers nach. Mit der damaligen Diagnose einer „Dementia praecox“ – für die Symptomatik wird heute der Begriff der „Schizophrenie“ verwendet – lebte sie fast 20 Jahre im damaligen hessischen Landeshospital Merxhausen. Bereits mit dem ersten Transport wurde sie in die Landesheilanstalt Eichberg im Rheingau verlegt, später nach Hadamar gebracht. Dort wurde sie an einem der folgenden Tage ermordet. Bis zum August 1941 fielen den Verbrechen deutschlandweit 70.000 Menschen zum Opfer.

Zum Gedenken an die 596 seelisch kranken und geistig behinderten Menschen, die in der Zeit des Nationalsozialismus aus dem „Philippshospital Goddelau“ abtransportiert und ermordet worden sind, wurde am 1. September 1988 ein Gedenkstein auf dem Gelände von Vitos Riedstadt aufgestellt. An dessen Entstehungsgeschichte und die Hintergründe erinnerte Dr. Maria Rave-Schwank, damalige Ärztliche Direktorin des Philippshospitals. Nach zahlreichen Diskussionen wurde als Aufstellungsort eine zentrale Stelle ausgesucht – als großer Stolperstein. Dort steht er bis heute.

In seinem Vortrag „Sterbehilfe heute: Wo liegen die Gefahren des „guten Todes“? führte Prof. Dr. Axel W. Bauer, Leiter Fachgebiet Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin an der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg, das brisante Thema in die Gegenwart. Sein Beitrag beleuchtete die unterschiedlichen Aspekte, die es bei dem kontrovers diskutierten Thema zu bedenken gibt und regte zum Nachdenken an.

In guter Tradition beteiligten sich auch wieder Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Gernsheim sowohl mit einem Musikbeitrag als auch mit einem Projekt an der Veranstaltung. Sie stellten drei Szenen dar, die sie aus Gesprächen mit Mitarbeitern des Vitos Philippshospitals Riedstadt  und Erzählungen einer Mitschülerin, die bei Vitos Riedstadt ein Praktikum absolviert hat, zusammengestellt haben.

Die Veranstaltung endete mit dem Gang an den Gedenkstein. Dort wurden 50 Opfernamen vorgelesen und ihrer mit einer Schweigeminute gedacht.

Im Rahmen der Veranstaltung wurde auch die gemeinsam von LWV und Vitos herausgegebene Broschüre GESCHICHTE UND GEDENKEN der Öffentlichkeit präsentiert. In der Publikation wird die Beteiligung der zwölf hessischen Landesheilanstalten am Krankenmord dargestellt. Aus diesen Einrichtungen sind später die heutigen Vitos Einrichtungen hervorgegangen. Vier exemplarische Opferbiografien verdeutlichen, wie es Menschen erging, die nach der nationalsozialistischen Ideologie als „lebensunwert“ galten. Die Leserinnen und Leser finden Informationen zu den unterschiedlichen Formen des Gedenkens in den einzelnen Einrichtungen und weiterführende Lektüreempfehlungen. Ein knapper Abriss über die politischen Rahmenbedingungen und die bürokratische Abwicklung erleichtert die historische Einordnung.

„Unsere wichtigste Zielgruppe für die Broschüre sind unsere eigenen Mitarbeiter“, sagt dazu Reinhard Belling, Geschäftsführer der Vitos GmbH, die als strategische Holding die Vitos Einrichtungen steuert. „Unsere Beschäftigten müssen wissen, was an ihrem Arbeitsort geschehen ist. Ihnen sollte verständlich werden, dass die Werte, die LWV und Vitos vertreten, auch eine Antwort auf die Entwertung menschlichen Lebens in der NS-Zeit sind und dass uns dieses schreckliche historische Erbe zu besonderer Sensibilität gegenüber unseren Patienten und Bewohnern verpflichtet.“

GESCHICHTE UND GEDENKEN soll allen Interessierten einen ersten, knappen Überblick über die Geschehnisse in den historischen Einrichtungen Hessens verschaffen. Möglichkeiten für eine vertiefte Auseinandersetzung bieten Besuche in der Gedenkstätte Hadamar sowie an Gedenkorten auf dem Gelände der Vitos Einrichtungen.

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