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Wie Familie helfen kann, gesund zu werden

Datum:
Fachbereich:
Erwachsenenpsychiatrie
Gesellschaft:
Vitos Riedstadt gGmbH

Experten erörtern „Familientherapeutische Ansätze in der Psychiatrie“

Wenn ein Angehöriger psychisch erkrankt, leidet auch die Familie. Depression, Schizophrenie oder  eine Borderline-Störung belasten die Beziehungen untereinander und stellen oft den gesamten Alltag auf den Kopf. Ein Kraftakt für alle Betroffenen, die damit zurecht kommen müssen. „ Familien haben  großes Interesse daran, in die Therapie ihres Angehörigen einbezogen zu werden, sie wollen Teil des Prozesses sein“, unterstrich Prof. Dr. Hartmut Berger, Ärztlicher Direktor des Vitos Philippshospitals Riedstadt beim Symposium „Familientherapeutische Ansätze in der Psychiatrie“ am Mittwoch (28.9.). Mehr als  50 Experten und interessierte Zuhörer hatten sich im Festsaal der Vitos-Klinik eingefunden. Eingeladen hatte der Klinikdirektor  gemeinsam mit der  „Arbeitsgruppe Familientherapie“der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN).

Am Philippshospital, so Gastgeber Prof. Berger in seinem Vortrag, habe man durchweg positive Erfahrungen mit der Beteiligung von Angehörigen bei der Behandlung von schizophrenen Störungen gemacht. Nach zehn Gruppensitzungen, in denen es um Schwerpunkte wie Wissensvermittlung, emotionale Entlastung  und die Förderung von Zuversicht und Hoffnung in die eigenen Fähigkeiten ging, waren die Rückfallquoten um ein Vielfaches gesunken. 

Positive Veränderungen trotz Krankheit

Zu erstaunlichen Ergebnissen war auch die Psychotherapeutin und Theologin Dr. Rita Bauer von der Universitätsklinik am Bezirksklinikum Regensburg gekommen: Angehörige erfahren im Zusammenleben mit einem erkrankten Familienmitglied viele positive Veränderungen für ihr eigenes Leben: das Selbstbewußtsein wächst, Beziehungen werden intensiver, Einstellungen und Prioritäten im Leben verändern sich. Für Dr. Bauer leitet sich daraus ein klarer Handlungsauftrag für die professionellen Helfer ab: Zur Therapie von psychisch Kranken sollte gleichermaßen die Unterstützung der Angehörigen gehören; nicht zuletzt, um deren Überforderung  aufzufangen und sie auch in der notwendigen Abgrenzung zum Patienten aktiv zu unterstützen. 

Familien vernetzen sich

Über praktische Erfahrungen mit Mehrfamilientherapie berichtete Dr. Roland Schneider, Leitender Arzt am Spital Thurgau in Münsterlingen. In Gruppen haben acht Familien gemeinsam mit ihren erkrankten Söhnen, Töchtern und Partnern 24 Monate lang die Anwendung von problemlösenden Techniken eingeübt. „Dabei wurden nicht die Familien behandelt, sondern die Probleme“, betonte Dr. Schneider. Unter anderem war es in dem Pilotprojekt um die Themen Medikamenteneinnahme oder Meinungsverschiedenheiten gegangen.  Gerade bei diesem Punkt habe sich ein interessanter Effekt der Mehrfamiliengruppe gezeigt: „Die Meinung eines anderen Vaters wurde eher akzeptiert, als die des eigenen“. Die Mehrfamilientherapie wurde von den Teilnehmern am Ende sehr positiv bewertet. Das Familienklima habe sich verbessert, bei der Medikamenteneinnahme habe es sehr viel weniger Probleme gegeben und insbesondere der Austausch mit anderen Familien war als Bereicherung und hilfreich beurteilt worden. 

Die Abkürzung PEFI steht für Psychoedukative Familienintervention. Walter Gassmann, Psychologe am Vitos Philippshospital in Riedstadt, stellte die Ergebnisse vor, die aus einer einjährigen Arbeit mit Patienten und deren Familien hervorgingen: „Es gab weniger Rückfälle, weniger Krankheitssymptome und insgesamt eine verbesserte Lebensqualität“. Letztlich zeigten sich die Teilnehmer am PEFI-Projekt mit der therapeutischen Begleitung

so zufrieden, dass einige von ihnen die Psychosewerkstatt mit begründeten. Bei monatlichen Treffen im Philippshospital findet ein Austausch zwischen Patienten, Angehörigen und Therapeuten statt. Die Treffen sind offen, die jeweiligen Themen werden von der Gruppe gemeinsam festgelegt. 

Erste Hilfe für Katastrophenbeziehungen

 Dass „Katastrophenbeziehungen“ nicht zwingend scheitern müssen, sondern durchaus auch genesen und Bestand haben können, erläuterte Hans Gunia, Diplom-Psychologe und Verhaltenstherapeut aus Darmstadt und Mitglied der Arbeitsgruppe Familientherapie am Vitos Philippshospital Riedstadt. Er hat Borderline-Patienten und deren Beziehungen in den Blick genommen. Negative Gefühle mit hoher Anspannung hat Gunia als Kerngefühl von Katastrophenbeziehungen ausgemacht. Denn zu viel Emotionsstress verhindert rationales Denken. „Beide müssen lernen, sich zu regulieren“, sagt Gunia, „und bei Borderlinern muss auch die Anspannung des Partners mit reguliert werden“. Das heißt: Gut vorbereitet in einen Konflikt zu gehen, dabei auf sich selbst zu achten und die Gefühle nicht über den Kopf bestimmen zu lassen. Bewertungen des anderen sollten unterbleiben, stattdessen sollte man eigene Enttäuschungen, Ärger oder verletzt sein, klar zum Ausdruck bringen. Und wenn während einer Auseinandersetzung der eigene Stresspegel doch zu hoch werden sollte, so rät der Therapeut: Einen einsamen Ort aufzusuchen „und einfach fünf Minuten Klappe halten!“ Denn auch in  Katastrophenbeziehungen gehe es immer noch um ein  langfristiges Ziel, nämlich, die Partnerschaft zu erhalten.

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