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Sozialminister Grüttner würdigt wichtige Rolle von Vitos Kalmenhof für soziale Infrastruktur Hessens

Datum:
Fachbereich:
Behindertenhilfe, Jugendhilfe
Gesellschaft:
Vitos Teilhabe gGmbH

Festakt zum 125-jährigen Bestehen

Hessens Sozialminister Stefan Grüttner

Als wichtigen Akteur, der aus der sozialen Infrastruktur des Landes nicht mehr wegzudenken ist, hat Hessens Sozialminister Stefan Grüttner anlässlich des 125-jährigen Bestehens am Freitagmittag Vitos Kalmenhof in Idstein gewürdigt.

Beim Festakt im Sternensaal des Kalmenhofs betonte Grüttner, der gemeinnützige Träger der Kinder-,  Jugend- und Behindertenhilfe werde unter dem Leitbild „Kompetent für Menschen“ den immer komplexer werdenden pädagogischen Anforderungen in vorbildlicher Weise gerecht. Als einer der größten Jugendhilfeträger in Hessen werde der Kalmenhof auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen, sagte der Minister. Denn anders als es der sinkende Anteil von Kindern und Jugendlichen an der Bevölkerung im Zuge des demografischen Wandels vermuten lassen würde,  werde die Zahl junger Menschen, die Hilfe auf dem Weg in ein selbstbestimmtes Leben benötigen, nicht im gleichen Maße sinken. Schon jetzt  bräuchten bis zu sechs Prozent aller jungen Menschen unter 21 Jahren ein ambulantes oder stationäres Angebot der Kinder- und Jugendhilfe.

 

Bis 1933 anerkannte Reformanstalt

Der heute zum gemeinnützigen Vitos-Konzern gehörende Kalmenhof wurde 1888 von einer Gruppe engagierter Bürger aus Frankfurt und Umgebung als „Idioten-Anstalt zu Idstein“ gegründet. Ihr Ziel war  es, Menschen mit geistiger Behinderung ein würdevolles Dasein zu ermöglichen, sie nicht nur zu verwahren, sondern ihnen auch Bildung und sinnvolle Beschäftigung zukommen zu lassen.  Die Nationalsozialisten machten aus der einstigen Reformanstalt, die deutschlandweit aufgrund ihres fortschrittlichen Konzepts bis 1933 große Anerkennung genoss,  einen Ort des Grauens. Auf Basis des „Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ wurden bis zum Ende der NS-Herrschaft mehr als 200 Menschen zwangssterilisiert. Zudem diente die Einrichtung als Zwischenstation für die Tötungsanstalt Hadamar. Aus zahlreichen anderen Einrichtungen des damaligen Reichsgebiets wurden geistig behinderte, psychisch Kranke oder sozial schlecht angepasste Menschen, deren Dasein den Nazis als „lebensunwert“ galt,  nach Idstein gebracht, bevor sie in Hadamar in der Gaskammer ermordet wurden. Doch auch auf dem Kalmenhof selbst wurde gemordet. Rund 750 Menschen kamen dort zwischen 1939 und 1945 zu Tode, wie Professor Dr. Christian Schrapper von der Universität Koblenz-Landau in seiner Festrede erinnerte.  Es waren vor allem Kinder, die mit Morphium-Spritzen sowie Überdosen an Schlafmitteln getötet wurden, oder die man verhungern ließ.

"Schwarze Pädagogik"

Nach 1945 wurde der Kalmenhof als Einrichtung der Behinderten- und Jugendhilfe weitergeführt, 1953 in die Trägerschaft des Landeswohlfahrtsverbands Hessen (LWV) übernommen. Doch der Weg zu einer humanen Pädagogik war damit noch nicht gelungen. Vielmehr prägte die sogenannte „schwarze Pädagogik“, zum Teil gepaart mit schierem Sadismus, in den 1950er und -60er Jahren noch das Leben vieler Heimkinder auf dem Kalmenhof. Beide finsteren Kapitel hat der Kalmenhof inzwischen gründlich aufgearbeitet.

Aus der wechselhaften Geschichte gelernt

„Es ist unser Anspruch, aus der wechselhaften Geschichte des Unternehmens gelernt zu haben“, betont Edeltraud Krämer, Diplom-Sozialpädagogin mit langjähriger Berufserfahrung in der Behinderten- und Jugendhilfe und seit April Geschäftsführerin des Kalmenhofs. Die Beschäftigung mit dieser Geschichte sei auch heute noch von großer Bedeutung, so die 53-Jährige „weil sie uns das Bewusstsein dafür erhält, wie schnell Haltungen sich ändern können und wie kurz der Weg von der Menschlichkeit zur Menschenverachtung sein kann – und wie lang und schmerzhaft der Weg zurück.“ Heute bestehe die Herausforderung für den Kalmenhof vor allem darin, bewährte stationäre und ambulante Unterstützungsangebote durch eine strategische Neuausrichtung mit dem Leitgedanken der Inklusion von Menschen mit Behinderung zu verknüpfen, so die Geschäftsführerin.

Brückmann: An Ideen der Gründer angeknüpft

Auch Uwe Brückmann, Landesdirektor des Landeswohlfahrtsverbands Hessen (LWV), betonte, der Landeswohlfahrtsverband und seine Vitos-Holding als Rechtsnachfolger seien sich der Verantwortung bewusst, die sich mit dieser Geschichte mahnend verbinde. Heute  habe der Kalmenhof wieder an die wegweisenden Ideen seiner einstigen Gründer angeknüpft und setze Qualitätsmaßstäbe, hob Brückmann hervor.

Belling: Große Erfolge

Reinhard Belling, Geschäftsführer der Vitos GmbH, betonte, dass  der Kalmenhof sich dadurch auszeichne, dass er immer wieder neue Angebote entwickle, die auf den Hilfebedarf der Klientinnen und Klienten gezielt zugeschnitten seien. Dazu gehörten beispielsweise die in den 1980er Jahren als Ergänzung zu stationären und ambulanten Angeboten entwickelten Tagesgruppen in der Jugendhilfe, die noch heute ein Erfolgsmodell seien, weil sie Familien umfassend förderten, ohne das Familienmodell infrage zu stellen. „Zu den großen Erfolgen des Kalmenhofs gehören auch die Erziehungsstellen, die die Vorteile einer professionellen Heimerziehung mit denen einer Familie verbinden“, betonte Belling. Heute betreut der Fachdienst Erziehungsstellen von Vitos Kalmenhof mit Einrichtungen in Darmstadt/Bensheim, Wiesbaden/Idstein und Kassel in großen Teilens Süd-, Mittel- und Nordhessens insgesamt 187 Erziehungsstellen, in denen bei professionellen Pflegeeltern 325 Kinder aufwachsen, die aufgrund unterschiedlichster Problemkonstellationen auf Dauer oder vorübergehend nicht in ihrer ursprünglichen Familie leben können.

PMZ Wabern seit 2012 integriert

Seit 2012 gehört zudem das pädagogisch-medizinische Zentrum Wabern (PMZ) in Nordhessen mit seinem umfangreichen stationären und ambulanten Angebot von Hilfen zur Erziehung zu Vitos Kalmenhof.  Insgesamt betreut die Vitos Jugendhilfe Idstein mit ihren Fachbereichen Familienerhaltende Hilfen, Familienergänzende Hilfen und Beratung rund 580 Kinder und Jugendliche und Familien. Der Unternehmensbereich Behindertenhilfe betreut zudem insgesamt 219 geistig oder mehrfach behinderte  Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Die vielfältigen Angebote haben alle das Ziel, den Menschen ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen: von unterschiedlichen Wohn- und Betreuungsangeboten bis zur Beschäftigung in der Werkstatt für behinderte Menschen Idstein, die in Gärtnerei, Wäscherei, Handmontage und Küche sowie in der ökologischen Landwirtschaft des Gassenbacher Hofs.

Krum: "Aus Menschenverachtung Menschenachtung gemacht"

Mit insgesamt 380 Beschäftigten ist Vitos Kalmenhof zugleich auch der größte Arbeitgeber Idsteins. Die Geschichte der Einrichtung inmitten des Stadtkerns sei für Idstein mit einem Wechselbad der Gefühle, mit Freude und Scham verbunden gewesen, hob Idsteins Bürgermeister Gerhard Krum hervor. Heute sei die Stadt wieder stolz auf den Kalmenhof: „Es ist dem Landeswohlfahrtsverband und Vitos gelungen, aus der Menschenverachtung während des Dritten Reichs Menschenachtung zu machen.“

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