Stress kennt wohl jeder. Der Begriff Resilienz ist dagegen nicht allen vertraut. Er bezeichnet die psychische Widerstandskraft beziehungsweise die Fähigkeit, auf Störungen – also auch auf Stress – so zu reagieren, dass Körper und Seele keinen Schaden nehmen.
Inzwischen weiß man, dass das Stresssystem in den ersten Lebensjahren individuell geprägt wird. Aber auch erbliche genetische Aspekte und die Prägung im Mutterleib haben darauf Einfluss. Stress muss grundsätzlich nicht unbedingt etwas Schlechtes sein. Das Stresssystem schützt uns in Gefahrensituationen und ist mit dem Immunsystem gekoppelt – aber eben auch mit Erkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck, Schlaganfällen, Herzinfarkten und vielem mehr.
Mit einer guten Lebensweise – ausreichend Schlaf und Bewegung, dem richtigen Umgang mit sich und anderen – lässt sich Stress positiv beeinflussen. Wer es also schafft, auf Stress mit der nötigen Resilienz zu reagieren, dem drohen seltener Folgeerkrankungen.
„Wir haben hier ein tolles Programm mit hochkarätigen Rednern und Vorträgen“, freute sich Martin Engelhardt. Der Sprecher der Geschäftsführung von Vitos Weil-Lahn und Vitos Herborn dankte auch Weilmünsters Bürgermeister Mario Koschel dafür, dass die Veranstaltung im Bürgerhaus stattfinden konnte.
Den knapp 100 Expertinnen und Experten ging es darum, sich dem Thema der Fachtagung sowohl aus bio-medizinischer, aber auch aus bio-psycho-sozialer Perspektive anzunähern. Letztere versteht eine Krankheit nicht rein mechanisch, sondern als Störung des Zusammenspiels von körperlichen, psychischen und sozialen Einflussfaktoren.
So stellte Klinikdirektorin Dr. Doris Klinger den Fall einer Patientin vor, die Ende 2023 mit einer Vielzahl von Erkrankungen und Symptomen in die Fachklinik nach Weilmünster kam. Ihre chronischen Schmerzen, die über Jahre mit stärksten Medikamenten behandelt worden waren, besserten sich, nachdem auch der psychosomatische Kontext in den Blick genommen worden war.
Prof. Dr. Ulrich T. Egle ist Senior Consultant an der Psychiatrischen Klinik Sanatorium Kilchberg in Zürich und Supervisor. Er zeigte eindrucksvoll auf, welchen Einfluss Erfahrungen, Erwartungen, aber auch aktuelle Stimmungen auf das Schmerzempfinden haben. „Schmerz bedeutet Stress für unser Gehirn“, so Egle.
Einen Blick auf den Menschen, „der nicht rein naturwissenschaftlich ist“, gewährte Prof. Dr. Giovanni Maio. Er ist nicht nur regelmäßiger Gast in verschiedenen Fernsehformaten, sondern Internist, Philosoph und Lehrstuhlinhaber für Bioethik und Medizinethik an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Maio hat zahlreiche Preise – darunter den Deutschen Schmerzpreis 2023 – erhalten. Außerdem wurde er für medizinisch-ethische Fragestellungen in die Bundesärztekammer berufen.
„Der Mensch kann ohne andere nicht leben, denn er braucht Begegnungen, Anerkennung und Beziehungen“, so Maio. „Schmerz verändert den Menschen und wirft ihn auf sich selbst zurück." Wichtig sei, den Patienten zunächst in seiner Not zu verstehen und eine Vertrauensbasis aufzubauen. Medizin habe, so Maio, „im ersten Schritt die Aufgabe der Sorge, dann des Handelns und der Mobilisierung von Ressourcen".
In der abschließenden Podiumsdiskussion nahm PD Dr. Christoph Best, Chefarzt der Vitos Klinik für Neurologie Weilmünster und Ärztlicher Direktor von Vitos Weil-Lahn, die somatische Perspektive ein, während Dr. Klinger, Prof. Dr. Egle und Prof. Dr. Maio den psychosomatischen Standpunkt vertraten.