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Coronavirus: Wie wir Oma und Opa durch die Krise helfen können?

Datum:
Fachbereich:
Fachbereichsübergreifend
Gesellschaft:
Vitos Haina gGmbH

Ältere Menschen gilt es vor einer Corona-Infektion zu schützen. Der Besuch bei Oma und Opa fällt deshalb in vielen Familien aus. Der Abstand als Zeichen der Rücksichtnahme. Für Alte wie Junge gleichermaßen eine ungewohnte wie schwierige Situation. Wie die Isolation empfunden wird und wie der fehlende direkte Kontakt kompensiert werden kann, erklärt PD Dr. Florian Metzger, Ärztlicher Direktor der Vitos Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Haina.

© Andreea Popa via Unsplash

Krankenhäuser und Alten- und Pflegeheime haben ihre Türen geschlossen. Und auch die Gerontopsychiatrie in der Hainaer Klinik hat ein Besuchsverbot ausgesprochen, um die Infektionsgefahr zu minimieren. Wie belastend ist die soziale Isolation für ältere Menschen?

Metzger: Die Isolation ist für viele ältere Menschen ein schwieriges Thema. Gerade in den Alten- und Pflegeheimen leben die Bewohner nicht mehr in ihrer gewohnten Tagesstruktur. Viele Bewohner haben oftmals auch wegen der Pflegebedürftigkeit weniger Sozialkontakte als früher – beispielsweise zu Familie, zu Freunden oder Nachbarn. Diejenigen, die Angehörige in der Umgebung haben, leben oftmals sehr auf die Besuche hin, die nun wegen Corona nicht mehr stattfinden können.

Obwohl diese zusätzliche Isolation schwer zu ertragen ist, ist es dringend geboten, Besucher nicht in das Pflegeheim zu lassen. Jeder gesunde Besucher kann ein symptomloser Überträger für das Virus sein. Zum Schutze der Bewohner tragen in vielen Heimen die Mitarbeiter einen Mundschutz. Dies ist zwar virologisch gut, reduziert allerdings den menschlichen Kontakt weiter. Der Gesichtsausdruck als wesentlicher Teil des Sozialkontaktes ist beim Tragen eines Mundschutzes deutlich eingeschränkt.

Wie können die fehlende Kontakte kompensiert werden? Tägliche Telefonate?

Metzger: Ein persönlicher Kontakt kann nicht ersetzt werden. Es gibt heutzutage aber viele Möglichkeiten, sich dem persönlichen Kontakt zumindest anzunähern. Da Computer, Tablet und Smartphone auch in der Großelterngeneration mittlerweile weit verbreitet sind, ist die Videotelefonie eine Möglichkeit, bei dem neben dem Hören auch ein Sehen möglich ist. Für schwerer beeinträchtigte Menschen, denen dies nicht möglich ist, gibt es auch andere Möglichkeiten zu zeigen, dass man an sie denkt: ob es das Einkaufen ist, das Schicken von Aufmerksamkeiten wie einen selbst gebackenen Kuchen oder einen gebastelten Osterhasen. Oder aber das Verfassen eines Briefes, der vorgelesen werden kann – in dieser Situation sind der kreativen Fantasie keine Grenzen gesetzt!

Viele Enkel besuchen Oma und Opa jetzt nicht, um sie nicht zu gefährden. Leiden beide Generationen gleichermaßen unter dieser Situation?

Metzger: Die Situationen der beiden Generationen sind deutlich unterschiedlich: die Kinder leiden eher unter der fehlenden Gruppen-Tagesstruktur, die Kindergarten oder Schule sonst bieten. Bei den älteren Menschen reduziert sich die Anzahl der Kontaktpersonen mit zunehmenden Alter immer mehr. Oftmals stellen dann die Enkel die einzigen Verbindungen in die ganz junge Generation dar. Insofern ist die Situation für die Älteren aktuell deutlich schlimmer als für die Jüngeren. Welche langfristigen Folgen die Corona-Pandemie für die jüngere Generation haben wird, ist noch unklar. Erste chinesische Studien aus der Zeit nach der dortigen Corona-Krise sprechen von schlechterer Ernährung und einer Zunahme von psychischen Erkrankungen bei Kindern.

Wie sollten sich die Generationen zueinander verhalten?

Metzger: Die jüngeren Menschen haben das Glück, aufgrund ihres Alters ein deutlich geringeres Risiko für einen schweren Verlauf zu haben. Dementsprechend können sie sich in der derzeitigen Situation mit Zuwendung für die ältere Generation revanchieren - ob in der Familie, der Nachbarschaft oder ohne direkten Bezug. In der Familie ist das naturgemäß viel einfacher. Angebote von Dienstleistungen, Aufmerksamkeiten und Solidarität helfen sehr dabei, die fehlenden direkten persönlichen Kontakte erträglicher zu machen. Wichtig ist es auch, Menschen – junge wie alte -, die die Tragweite dieser Pandemie nicht erfassen oder erfassen können, auf ein korrektes Verhalten hinzuweisen. Je mehr Menschen mit den Einschränkungen konsequent umgehen, umso mehr Menschen können diese Krise überleben.

Zur Person: PD Dr. Florian Metzger

PD Dr. Florian Metzger (42) ist Ärztlicher Direktor des Vitos Klinikums Haina. Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie leitet seit 2019 die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie. Spezialisiert ist er unter anderem auf die Behandlung von psychischen Erkrankungen in der zweiten Lebenshälfte. Vor seinem Wechsel nach Haina wirkte Dr. Metzger am Universitätsklinikum in Tübingen, wo er weiterhin einen Lehrauftrag hat und wissenschaftlich tätig ist.

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