Die ICD, die 1853 ihre Karriere als Internationales Todesursachenverzeichnis (International List of Causes of Death, ILCD) begann, wurde ab 1948 im Zuge ihrer sechsten Revision schließlich zu einer allgemeinen Klassifikation ausgebaut und in ICD umbenannt. Herausgegeben wird sie seitdem von der Weltgesundheitsorganisation WHO.
Eine erste grundsätzliche Änderung der neuen Fassung betrifft „Form und Funktion“: Die ICD-10, die in den 1980er und 1990er Jahren entstand, war noch als gedrucktes Nachschlagewerk konzipiert. Die ICD-11 hingegen gibt es rein digital, sie soll so als eine Art lebendiges Dokument fungieren, auf das jeder Zugriff hat.
Die Evaluierung und Einführung der ICD-11, die seit ihrem Inkrafttreten am 01.01.2022 grundsätzlich einsetzbar, jedoch in der Entwurfsfassung in Deutsch aus lizenzrechtlichen Gründen noch nicht nutzbar ist, wird in Deutschland noch einige Jahre in Anspruch nehmen.
So bleibt ausreichend Zeit, um sich in nicht nur in die Codierungen, die an IBAN erinnern, einzuarbeiten, sondern auch einige marginale, aber auch einige grundlegende Änderungen bei der Berücksichtigung von Krankheitsbildern und bei ihren Definitionen zu verstehen.
Dies war das Thema des zweitägigen stark nachgefragten, aber bewusst klein gehaltenen Workshops, an dem Mitarbeitende der Vitos Klinik für forensische Psychiatrie Gießen und einige eingeladene PsychiaterInnen und PsychologInnen teilnahmen.
Die Referierenden erläuterten zunächst die Gründe für die nun beschlossenen, gravierenden Änderungen in den Definitionen der Störungsbilder und im Hinblick auf die Codierungen einiger Störungsbilder.
Die ICD-11-Kriterien der Schizophrenien, der Persönlichkeitsstörungen, der substanzbezogenen Störungen (neue Definitionen für Substanzabhängigkeit) sowie der Paraphilen Störungen (Transsexualität nun eine „Bedingung im Zusammenhang mit der sexuellen Gesundheit“) und Störung mit zwanghaftem Sexualverhalten (Compulsive Sexual Behaviour Disorder) wurden im Hinblick auf die neuen Diagnosekriterien und Codierungen ausführlich besprochen.
Besonders lebhafte Diskussionen erfolgten angesichts des Paradigmenwechsels bei den Persönlichkeitsstörungen (dimensionales statt kategoriales Modell, allgemeine Definition einer Persönlichkeitsstörung, drei Schweregrade; keine lebenslange Störung) und im Hinblick auf den Wegfall von paraphilen Störungen wegen fehlender forensischer Relevanz.