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Hurra ein Mädchen? - Schlaglichter auf die Mädchenentwicklung

Datum:
Fachbereich:
Kinder- und Jugendpsychiatrie
Gesellschaft:
Vitos Herborn gGmbH

Herborn, 19. Dezember 2019 / Das Arbeits- und Begegnungsforum der Vitos Klinik Rehberg (KJP) in Herborn beschäftigte sich mit einem Thema, das lange keines war – nämlich mit entwicklungspsychologischen Aspekten der Mädchen. Während Themen wie Weiblichkeit oder Mutterschaft gut beleuchtet sind, fehlt in der Forschung die Mädchenperspektive fast gänzlich. Klinisch sind Mädchen mit vielen Krankheitsbildern auffällig, werden aber in der Theorie wenig beachtet.

© Vitos Herborn
Die leitende Psychologin der Klinik, Gabriele Swietlik (links) und Klinikdirektor Prof. Matthias Wildermuth holten die Psychoanalytikerin Prof. em. Dr. Inge Seiffge-Krenke für den ‚Blick auf die Mädchenperspektive‘ nach Herborn.

Die wenigen vorhandenen Studien stellte Prof. em. Dr. Inge Seiffge-Krenke vor. Gastgeber und Klinikdirektor Prof. Dr. Matthias Wildermuth, betonte den Wert der Erkenntnisse. Für eine geschlechtssensible Therapie und Behandlung von Mädchen muss deren Entwicklung in dem bestehenden sozialen System verstanden werden. Zudem plädierte er dafür, die Diversität der Geschlechter und die soziale Dynamik von Geschlechterrollen immer wieder vorurteilsfrei zu betrachten.

Hurra ein Mädchen! Keineswegs sei so immer die Reaktion auf die Geburt eines weiblichen Kindes, so Prof. Seiffge-Krenke. Auch wenn sich in den letzten Jahrzehnten eine enorme gesellschaftliche Wandlung vollzogen habe, sei das Geschlecht auch heute nach wie vor zwiespältige Frage. Mädchen drohe immer noch eher die Gefahr einer Vernachlässigung, was vor allem für Kulturen mit Sohn-Präferenz gelte.

Babymädchen sind anders als Babyjungen

In der Wissenschaft wird bei Babys selten zwischen Mädchenbabys und Jungsbabys unterschieden. Die raren Untersuchungen bringen hervor, dass es schon im Säuglingsalter deutliche Unterschiede gibt. Mädchenbabys weinen häufiger mit, wenn andere weinen, zeigen einen stärken Ausdruck von Freude und ein hohes Interesse am Interaktionspartner. Sie sind sehr aktiv und sehr beziehungsaktiv. Damit verfügen sie über ein besseres Rüstzeug für die frühen Interaktionen als die kleinen Jungen. Zudem erkunden Mädchenbabys mehr mit dem Mund und haben einen besser ausgeprägten Tastsinn, den sie vermehrt einsetzen.
Betrachtet man die Interaktion zwischen Müttern und ihren Babys, fällt auf, dass Mädchen weniger sogenannte Koordination zwischen sich und der Mutter erleben als  Jungen. Das kann sowohl bedeuten, dass der Kontakt so empathisch ist, dass „weniger reicht“ oder auch das Gegenteil.

Mehr Begrenzung für Mädchen, häufiger Verbote

Im Kleinalter werden Mädchen stärker zur Harn- und Stuhlkontrolle angehalten als Jungs und die Schamentwicklung nimmt einen rasanteren Verlauf. Schon früh beginnen Mädchen sich mit den Augen anderer zu sehen und so erhalten ihre Mitmenschen einen Einfluss auf ihr Selbstempfinden. Eine positive und rasche Entwicklung sozialer und kognitiver Fähigkeiten macht es ihnen möglich, sich stark auf andere zu konzentrieren. Damit verbunden ist ein sozialer Vergleich zwischen Mädchen, der oft problematisch wird und häufig Anlass für viele Symptome.

In der Umgebung des Mädchens reagieren Erwachsene mehr mit Verboten, bei ihnen ist eine Emotions- und Verhaltenskontrolle viel mehr gewünscht als bei Jungs. Sie werden viel stärker begrenzt. Auffällig ist auch eine enorme Unterdrückung von offenen ausgetragener Aggression.

Ausgeprägte Beziehungsfixierung birgt Gefahr

Kommt ein Mädchen in die Pubertät, erlebt es die physische Entwicklung oft als beängstigend. Die Umgebung reagiert bei ihnen stärker auf die körperlichen Veränderungen und sie erleben mehr Kommentare und Hinweise auf den veränderten Körper als Jungs. Die nun biologisch ausgereiften Genitalien müssen sie in ihr Körperkonzept integrieren. Das ist eine schwere Aufgabe. Zudem ist die körperliche Entwicklung deutlich schneller als die Identitätsentwicklung. Prof. Seiffge-Krenke wies darauf hin, dass sogenannte Helikoptereltern, die ihre Kinder sehr eng überwachen, wenig hilfreich sind. Das betrifft Mädchen und Jungs gleichermaßen, jedoch werden Mädchen viel stärker überwacht und ihnen wird deutlich weniger Autonomie zugestanden.

Eine Gefahr aus klinischer Sicht birgt auch die ausgeprägte Beziehungsfixierung der Mädchen. Damit kann eine Angst vor Liebesverlust verbunden sein, die wiederum die Fähigkeit hemmt, sich abzugrenzen oder Grenzen zu wahren. Die Suche nach der Bestätigung ihrer Weiblichkeit geht oft mit einer ungenügenden Grenzziehung einher. Seiffge-Krenke schilderte, dass 25 % der Mädchen bei den ersten Verabredungen sexuelle Kontakte haben, mit denen sie nicht einverstanden sind und es zu einer Vergewaltigung kommt.

Für das Eltern-Kind-Verhältnis plädiert die Professorin, dass die Generationsgrenzen eingehalten werden. Sie beobachtet eine Verschiebung beziehungsweise Aufweichung der Grenzen, was sie problematisch sieht. Kinder profitierten von einer klaren Unterscheidung zwischen „Elternseite“ und „Kinderseite“.

Die Tochter als „Little me“

Bei Müttern kann die Gleichgeschlechtigkeit dazu verführen, die Töchter als verlängertes Selbst zu sehen: Die Tochter wird zum Ausstellungsobjekt. Sie soll etwas repräsentieren oder erfüllen, was die Mütter selbst nicht ausleben kann. Oftmals bilden solche Mädchen als Mittel der Abgrenzung Zwänge aus. Auch ein gestörtes Selbsterleben kann die Folge sein, was eine junge Patientin mit den Worten beschrieb: „Ich weiß nicht, wo ich aufhöre und meine Mutter anfängt“.

Hintergrund:

Die Vitos Klinik Rehberg ist eine Fachklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. Sie bietet stationäre, tagesklinische sowie ambulante Behandlungen für Kinder an, deren Alter zwischen 18 Monaten und 18 Jahren liegt. Die Schwerpunkte der Klinik sind z.B. emotionale, hyperkinetische bzw. neurotische Störungen, Identitätskrisen, Störungen des Sozialverhaltens sowie Beziehungs- und Bindungsstörungen sowie Psychosen.

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