Zur juristischen Frühjahrstagung hatte der Ärztliche Direktor der Vitos Klinik für forensische Psychiatrie Haina, Dr. Sven Krimmer, eingeladen – und 50 Juristinnen und Juristen aus allen hessischen Gerichtsbezirken nutzten das Angebot zum interdisziplinären Austausch mit zwei Fachvorträgen sowie einer Führung durch die Klinik mit Besichtigung des auf dem Campus in Haina entstehenden Ersatzneubaus. „Dieser juristisch-forensische Austausch ist wichtig, denn er gibt den Juristinnen und Juristen die Gelegenheit, den Maßregelvollzug näher kennenzulernen und schafft ein gegenseitiges Verständnis für Arbeitsweisen, Abläufe und aktuelle Herausforderungen“, erläutert Ärztlicher Direktor Dr. Sven Krimmer.
Neben Strafverteidiger/-innen nahmen Richter/-innen, Staatsanwält/-innen sowie Mitarbeiter/-innen des Hessischen Ministeriums für Familie, Senioren, Sport, Gesundheit und Pflege (HMFG) an der Tagung teil. Alle Akteure arbeiten eng mit den forensischen Kliniken des hessischen Maßregelvollzugs zusammen, um eine adäquate Therapie für Patient/-innen sicherzustellen und gleichzeitig die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten.
Umgang mit der Aufnahmeflut in der Hainaer Forensik
Marco Giesler, stellvertretender Ärztlicher Direktor, ging in seinem Vortrag auf die Belegungsentwicklung der vergangenen vierzehn Jahre ein. Veränderungen gebe es nicht nur durch die zunehmende Auslastung der räumlichen Kapazitäten, sondern auch durch Diversifizierung der Delikte und den steigenden Anteil an ausländischen Patient/-innen, die kein oder nur wenig Deutsch sprechen. „Wir haben uns dieser Herausforderung gestellt und unsere Struktur entsprechend angepasst“, erklärt Marco Giesler. Neben der Neu- und Wiedereröffnung von Stationen habe die Klinik auf die steigende Anzahl ausländischer Patienten mit der Einrichtung einer SPRINT-Station reagiert. Der Schwerpunkt der „Station für Spracherwerb und Integration“ ist die Vermittlung der deutschen Sprache – sowohl durch intensiven Unterricht als auch durch praktische Anwendung im klinischen Alltag. „Mit verbesserten Sprachkenntnissen steigt gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit für eine erfolgreiche Therapie und eine gelingende Integration nach der Entlassung.“
Trotz dieser Anpassungen stehe die Klinik vor der Herausforderung der Überbelegung. Die Bewältigung der Neuaufnahmen bedürfe nicht nur weiterer räumlicher Kapazitäten, sondern funktioniere nur durch die Akquise von qualifiziertem Personal – dies gelte insbesondere im Hinblick auf die bevorstehende Inbetriebnahme des Ersatzneubaus.
Optimierung des Entlassungsmanagements
In seinem Vortrag stellte Holger Willhardt, Abteilungsleiter Sozialdienst und Entlassungsmanagement, die Entlassungsprozesse in der forensischen Klinik in Haina dar. Dabei beleuchtete er nicht nur den Ablauf der Entlassung, sondern präsentierte auch die Funktionsweise eines Systems mit mehreren Entlassungssettings und -stationen. Er thematisierte darüber hinaus die Bedingungen und Voraussetzungen, die es ermöglichen könnten, mehr Patienten nach kürzerer Zeit zu entlassen. Hierbei betonte Holger Willhardt insbesondere die Notwendigkeit passender Nachsorgeeinrichtungen und ausreichender Kapazitäten. „Die Entlassung von Patient/-innen aus der forensischen Psychiatrie ist ein komplexer Prozess, der eine sorgfältige Planung und Vorbereitung erfordert“, sagt Holger Willhardt. „Wir arbeiten daran, die Entlassungszeiten zu verkürzen und gleichzeitig sicherzustellen, dass die Patienten die notwendige Unterstützung erhalten, um erfolgreich in die Gesellschaft zurückzukehren.“
Einblicke in den Stationsalltag
Während einer Führung über eine geschlossene und eine offene Station auf dem Hainaer Campus konnten sich die Tagungsgäste ein Bild von der Klinik für forensische Psychiatrie machen – der ältesten und größten Maßregelvollzugseinrichtung in Hessen. Die Besucher erhielten Einblicke in Patientenzimmer, Aufenthaltsbereiche und Außenanlagen und lernten die täglichen Abläufe der Patient/-innen kennen. Teil der Führung war auch die Besichtigung der Baustelle des Ersatzneubaus. „Wir sind eine Einrichtung zur Ausführung des Maßregelvollzugs, verstehen uns in erster Linie aber im medizinischen Sinne als Klinik, die psychisch erkrankten Menschen dabei hilft, gesund zu werden und so in Zukunft ein straffreies Leben zu führen“, erklärt Dr. Sven Krimmer. „Eine solche Tagung bildet den idealen Rahmen, unsere Arbeit zwischen Vollzug und Therapie vorzustellen und das Feedback zeigt uns, dass uns dies gelungen ist.“