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Steigende Tendenz bei psychischen Störungen im Alter

Datum:
Fachbereich:
Erwachsenenpsychiatrie
Gesellschaft:
Vitos gGmbH

Mehr als 16 Millionen Menschen in Deutschland und damit rund 20 Prozent der Gesamtbevölkerung sind heute bereits älter als 65 Jahre. Die steigende Lebenserwartung hat aber nicht nur die Zunahme körperlicher Gebrechen zur Folge, auch altersbedingte psychische Störungen werden mehr. Auf diese Entwicklung machte Professor Dr. Gerald Schiller, der Ärztliche Direktor des Waldkrankenhauses Köppern, in einem Vortrag in Friedberg aufmerksam.

Gemeindereferentin Luise Merkel und Caritas-Team-Leiterin Lieselotte Balcarek von der Pfarrgemeinde Mariä Himmelfahrt, Friedberg, mit Prof. Dr. Gerald Schiller beim Vortrag (Foto: Dieter Becker)

„Häufig treffen in der Altersheilkunde mehrere gesundheitliche Probleme aufeinander. Dabei nimmt die Behandlung von psychischen Störungen neben der organischen Multimorbidität einen immer größeren Stellenwert ein“, stellte der Facharzt für Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie, Geriatrie und Sportmedizin fest. In der Gerontopsychiatrie sind die Demenzen die mit Abstand am häufigsten auftretenden Erkrankungen. Damit sind alle Störungen gemeint, die sich durch einen chronisch fortschreitenden Verlust von geistigen Fähigkeiten auszeichnen, etwa bei der „Alzheimer-Krankheit“. Weitere Ursachen für demenzielle Erkrankungen können Gefäßverengungen, Stoffwechselstörungen, Hirntumore, Infektionskrankheiten, Schädelverletzungen sowie Alltags- oder Umweltgifte sein. Das häufigste Merkmal für die beginnende Demenz ist ein schleichendes Nachlassen der Gedächtnisleistung und der Merkfähigkeit, eine Verlangsamung des Denkens und ein Verlust der Abstraktionsfähigkeit. Außerdem kommt es nicht selten zu Einschränkungen in der Kritik- und Urteilsfähigkeit, die von einer Unbeweglichkeit im Erfassen von Sachverhalten, Schlaf- und Orientierungsstörungen und einer raschen Ermüdbarkeit begleitet werden. Schließlich folgt im weiteren Krankheitsverlauf die so genannte Depersonalisation, die sich durch das Auftreten fremder, prämorbider Charakterzüge auszeichnet. „Das Vorliegen einer Demenzerkrankung lässt sich anhand von psychologischen Tests nachweisen, die bei niedergelassenen Therapeuten und in den Institutsambulanzen der Fachkliniken für Psychiatrie und Psychotherapie durchgeführt werden“, sagte Schiller und wies auf die Bedeutung einer frühzeitigen Diagnostik hin. Denn: „Auch wenn Demenzerkrankungen bislang nicht heilbar sind, gibt es doch zahlreiche Behandlungsstrategien zur Linderung der Symptome.“ Hierzu zählten neben einer internistischen Basistherapie vor allem die Medikamentengabe zur Verbesserung des geistigen Leistungsvermögens und der Alltagskompetenzen. Daneben spielten das Gedächtnis- und Konzentrationstraining sowie verhaltens- und bewegungstherapeutische Ansätze eine große Rolle. „Betroffene sollten auch darauf achten, soziale Kontakte möglichst lange beizubehalten und ihren Tagesablauf zu ritualisieren.“

Eine vielfach unterschätzte Erkrankung ist die Altersdepression, fuhr Schiller fort. Zum Beleg für seine Aussage verwies der Mediziner auf einschlägige Statistiken, die für die Bevölkerungsgruppe der über 65-Jährigen 37,5 Suizide pro 100.000 Einwohner ausweisen. Demnach ist die Selbsttötungsrate bei Senioren fast doppelt so hoch wie in der Durchschnittsbevölkerung. Diese überraschend hohe Zahl von Suiziden geht meist auf mehrere Ursachen zurück, darunter schmerzliche Lebensereignisse, Isolation, anhaltende Schmerzzustände, Stoffwechseleinflüsse oder Erkrankungen des zentralen Nervensystems. Allerdings sind die Kennzeichen für eine Altersdepression vielfach unspezifisch. Dazu zählen Schlafstörungen, Müdigkeit, Engegefühl in Hals und Brust, Appetitstörungen, Magen-Darm-Beschwerden, Gewichtsverlust oder Schmerzsyndrome. „Depressionen erweisen sich zwar oft als langwierige Erkrankungen, haben dafür aber gute Heilungschancen“, fasste Schiller zusammen, der den Aufbau einer „vertrauensvollen Arzt-Patient-Beziehung unter Berücksichtigung der Angehörigen“ als Voraussetzung für eine erfolgreiche Diagnostik und Therapie bezeichnete. „Die Ursachen für psychische Störungen im Alter sind zumindest zu einem Teil in der Lebenssituation der betroffenen Menschen zu suchen. Ungünstig wirken sich unter anderem Einschränkungen in der Mobilität, Flexibilität und Belastungsfähigkeit aus, aber auch das Festhalten an alten Lebensgewohnheiten, eine verminderte Aufnahmefähigkeit oder schlicht die Vereinsamung“, betonte der Mediziner. Bei zahlreichen altersbedingten Störungen der Psyche entscheide daher das Verhalten der Betroffenen in besonderem Maße über den Schweregrad und Verlauf der Erkrankung.

„Wer bis ins hohe Alter fit und vital bleiben möchte, muss seine geistigen Fähigkeiten regelmäßig trainieren. Besteht darüber hinaus noch ein Freundeskreis oder eine Zugehörigkeit zu Vereinen oder Seniorentreffs, ist in vielen Fällen schon viel gewonnen“, zeigte sich Schiller überzeugt. Gute Aussichten also für die gut 80, überwiegend älteren Besucher der Veranstaltung, die den Facharzt nach einer Fragerunde mit Applaus verabschiedeten.

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