Auf den Tag genau vor 175 Jahren, am 18. Oktober 1849, wurde die „Heil- und Pflegeanstalt Eichberg“ in Betrieb genommen. Davor war die Psychiatrie seit 1815 im nahe gelegenen Kloster Eberbach untergebracht gewesen. Im Laufe der Jahre hat die Klinik auf dem Eichberg eine wechselvolle Geschichte durchlebt. Bei ihrer Eröffnung war die Anstalt ein viel besuchtes Vorzeigeobjekt der sich neu entwickelnden Fachrichtung der Psychiatrie und wurde in den folgenden Jahrzehnten ausgebaut und erweitert. Mit dem Nationalsozialismus brach das dunkelste Kapitel in der Geschichte des Eichbergs an – als Teil der Mordmaschinerie diente die Klinik als Zwischenanstalt für die Tötungsanstalt in Hadamar. Auch auf dem Eichberg selbst wurden psychisch kranke und behinderte Menschen getötet. In den 1970er und -80er Jahren trat die Psychiatrie in Deutschland aus dem langen Schatten der NS-Krankenmorde, und auch auf dem Eichberg fanden die tiefgreifenden Reformen der Psychiatrie-Enquête Anwendung.
Seit 2009 heißt die Psychiatrie auf dem Eichberg Vitos Rheingau. Heute steht sie mit vier Kliniken und über 1.000 Mitarbeitenden für die kompetente, moderne und bedarfsgerechte Behandlung von psychisch oder psychosomatisch erkrankten Erwachsenen, Kindern und Jugendlichen.
Das betonte auch Stefan Sydow, Leiter der Abteilung für Gesundheit beim Hessischen Ministerium für Familie, Senioren, Sport, Gesundheit und Pflege, in seinem Grußwort: „Vitos Rheingau ist mit der Klinik Eichberg ein wichtiger und verlässlicher Partner des Gesundheitsministeriums. Evidenzbasierte Behandlung und der Einbezug von Erfahrungswissen gehören zu einem modernen Versorgungskonzept, wie es hier gelebt wird. Die Bereitschaft, dem stetigen Wandel zu begegnen, macht Vitos Rheingau zu einem attraktiven Arbeitgeber für die gesamte Region.“
An die wechselvolle Geschichte des Standorts erinnerte Reinhard Belling, Vorsitzender der Vitos Konzerngeschäftsführung: "175 Jahre Psychiatrie auf dem Eichberg – das ist fast deckungsgleich mit der Geschichte des Fachgebietes Psychiatrie. Die 175 Jahre spiegeln die positiven Entwicklungen der Psychiatrie ebenso wider wie die dunkelsten Jahre in der Zeit des Nationalsozialismus mit ihrer unglaublich schrecklichen Pervertierung des medizinischen Auftrags. Dieser Standort zeigt in seiner Geschichte anschaulich, wie medizinischer Fortschritt und neue bauliche Konzepte seit jeher Hand in Hand gingen und gehen. Und so steht auch unser Klinikneubau für eine moderne und zeitgemäße Psychiatrie, in der der Mensch im Mittelpunkt steht. Eine moderne Klinik ist für Vitos aber nur Säule in der psychiatrischen Versorgung. Die ambulante und die Versorgung im häuslichen Umfeld gewinnen bei Vitos zunehmend an Bedeutung."
Hansjörg Bathke, Kreisbeigeordneter Rheingau-Taunus-Kreis, hob in seinem Grußwort das heutige, breite Behandlungsangebot von Vitos Rheingau hervor: „Menschen mit einem psychischen Hilfebedarf benötigen eine rasche und kompetente, eine optimale Versorgung mit fundierten Therapie- und Behandlungskonzepten. Diese finden unsere Bürgerinnen und Bürger im Vitos Klinikum Rheingau.“
Auch der Bürgermeister der Stadt Eltville, Patrick Kunkel, betonte den Stellenwert der Klinik Eichberg für die Region: „175 Jahre Vitos auf dem Eichberg bedeutet für mich eine klare Entwicklung hin zu großer Menschlichkeit und enormem Fachwissen. Und in dieser Kombination erfahren Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit psychischer oder psychosomatischer Erkrankung eine kompetente und individuelle Hilfe und Behandlung. Für mich als gebürtigen Martinsthaler gehört die Vitos Klinik auf dem Eichberg einfach zum Rheingau dazu!“
An die gemeinsamen Wurzeln erinnerte Julius Wagner, Vorstandsvorsitzender Stiftung Kloster Eberbach: „Wir haben beide dieselben Vorfahren in unserem institutionellen Stammbaum: Bernhard von Clairvaux und die Mönche des Zisterzienserordens. Als die Brüder im Jahr 1136 Kloster Eberbach im Tal des Kisselbachs errichteten, führten sie mit der Ordensregel des Hl. Benedikt christliche Leitprinzipien ihres Handelns mit im Gepäck. Eine ganz wesentliche davon war die Fürsorge für die Kranken. Damit ist Vitos Rheingau weit mehr als ein Nachbar von Kloster Eberbach. Unsere Geschichte verbindet uns viel tiefer.“
Dass sich im Laufe der Zeit auch der Anspruch an die Pflege verändert hat, machte Ljiljana Orlic, Pflegedirektorin Vitos Klinikum Rheingau, deutlich: „Die Entwicklung der psychiatrischen Pflege von einer versorgenden Tätigkeit hin zu einer ganzheitlichen, therapeutischen Profession zeigt den wachsenden Anspruch, psychische Gesundheit nicht nur zu behandeln, sondern aktiv zu fördern. Als größte Berufsgruppe trägt die Pflege eine tragende Rolle in jeder Klinik und leistet einen wesentlichen Beitrag zum Behandlungserfolg.“
Wie sich die Psychiatrie in der Region aus Sicht einer Mitarbeiterin verändert hat, die seit 1988 auf dem Eichberg arbeitet, hat Barbara Kroll, Betriebsratsvorsitzende Vitos Rheingau, beschrieben. Sie freut sich, dass der ursprüngliche Eichberg, heute als Vitos Rheingau zu einem stabilen Unternehmen mit sicheren Arbeitsplätzen und guten Entwicklungsmöglichkeiten für seine Mitarbeitenden herangewachsen sei.
Der Ärztliche Direktor von Vitos Rheingau, Prof. Dr. Dieter F. Braus, zeichnete in seinem Festvortrag mit dem Titel „Vom Irrenarzt zum klinischen Neurowissenschaftler“ kursorisch den Weg der Psychiatrie und Psychotherapie als medizinische Disziplin in den letzten 175 Jahren nach: „Bereits 1842 gab es mit Wilhelm Griesinger an der Charité gute empirische Daten, dass Geisteskrankheiten Gehirnerkrankungen sind. Die Neuropathologie ist ein ‚Kind‘ der Psychiatrie. Der Weg zu den klinischen Neurowissenschaften wurde jedoch erst in den 1990er Jahren richtig geebnet und mit dem Nobelpreis für den Psychiater Eric Kandel 2000 gefestigt. Diese Sichtweisen der Neuropsychiatrie sind tief in der DNA der Klinik Eichberg verankert.“ Braus betonte, dass alle Module, die die Leitlinien heute empfehlen, in der Vitos Klinik Eichberg angeboten werden, und skizzierte in seinem Vortrag auch zukünftige Entwicklungen, zum Beispiel in Form digitaler Angebote und KI.
Die Zukunft verspricht für die Psychiatrie auf dem Eichberg nicht nur im Hinblick auf das Behandlungsportfolio stetige Neuerungen. Nächstes Jahr steht mit dem Umzug der Erwachsenenpsychiatrie, die aktuell teils in den historischen Gebäuden aus dem 19. Jahrhundert untergebracht ist, eine weitere große Veränderung bevor, wie auch Servet Dag betont, Geschäftsführer von Vitos Rheingau: „Die Psychiatrie auf dem Eichberg blickt auf eine lange Geschichte mit Höhen und Tiefen zurück. Nächstes Jahr beginnt mit dem Umzug der Klinik Eichberg in unseren Neubau eine neue Epoche dieser Geschichte. Mit unserer Feier anlässlich des 175-jährigen Jubiläums würdigen wir die Vergangenheit unserer Klinik; gleichzeitig können wir stolz darauf sein, wo wir mit der topmodernen Fachklinik, zu der die Klinik Eichberg sich entwickelt hat, heute stehen, und blicken optimistisch in die Zukunft.“
Hintergrundinformation
Vitos Rheingau ist Träger von vier psychiatrischen Kliniken. Neben der Klinik Eichberg (für Psychiatrie und Psychotherapie), der Kinder- und Jugendklinik für psychische Gesundheit Eltville und der Klinik für forensische Psychiatrie Eltville gehört seit Januar 2019 die Klinik für Psychosomatik Eltville zum Unternehmen.
Die gemeindepsychiatrisch tätigen begleitenden psychiatrischen Dienste Rheingau machen chronisch psychisch kranken Menschen Angebote in den Bereichen Wohnen – Arbeit – Freizeit mit Wohngruppen und Tagesstrukturzentren in Wiesbaden und in verschiedenen Gemeinden im Rheingau.
Die Unternehmensgeschichte lässt sich bis zur Gründung der ersten stationären psychiatrischen Einrichtung im Rheingau im säkularisierten Zisterzienserkloster Eberbach im Jahr 1815 zurückverfolgen. Heute ist Vitos Rheingau eine Einrichtung des Vitos Konzerns, dem mit 11.500 Mitarbeitenden und einem jährlichen Gesamtertrag von rund einer Milliarde Euro größten Psychiatriedienstleister Hessens.