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Inklusion fördern und Einzigartigkeit bewahren

Datum:
Fachbereich:
Erwachsenenpsychiatrie
Gesellschaft:
Vitos Haina gGmbH

Mandy Ernst steht mit Sinnesgarten-Konzept im Finale des Queen Silvia Nursing Award Deutschland.

© Queen Silvia Nursing Award
Mandy Ernst präsentiert ihre Idee „Garten der Einzigartigkeit“ vor einer Jury.

Wie kann ein Ort aussehen, an dem Inklusion nicht nur mitgedacht wurde, sondern den entscheidenden Antrieb zur Gestaltung gegeben hat. Ein Ort, der mit allen Sinnen erlebbar ist. Mandy Ernst hatte eine Idee – und zwar eine richtig gute. So gut, dass sie mit dieser im Finale des „Queen Silvia Nursing Award Deutschland“ steht. Einem Stipendium, gefördert von Königin Silvia von Schweden, das Pflegefachpersonen und Pflegeschüler/-innen ermutigt, sich mit ihren Ideen und Innovationen für eine verbesserte Gesundheitsversorgung insbesondere älterer, demenzieller Menschen einzubringen.

Inklusiver Garten für alle Sinne

Mandy Ernst steht kurz vor ihrem Examen zur Pflegefachfrau. Ihr Ausbildungsbetrieb ist die Vitos Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Haina. Begleitend zur Ausbildung absolviert sie ein Pflegestudium am Steinbeis-Transferinstitut in Marburg. Dort erfuhr sie auch von dem seit 2017 verliehenen Award, bewarb sich mit ihrer Idee und arbeitete diese während der ersten Auswahlrunde detailliert aus. Denn ihr „Garten der Einzigartigkeit“ ist nicht nur ein tolles Projekt, sondern bietet gleich mehrere Lösungen für Probleme, denen Menschen mit Handicap – insbesondere Demenzerkrankte – oft gegenüberstehen.

Die 33-Jährige hatte bereits während ihres praktischen Einsatzes auf der Gerontostation mit dementen Patient/-innen zu tun. Auch ihre Oma leidet an Demenz und sitzt im Rollstuhl. „Als sie in Haina zu Besuch war und wir einen Ausflug in den Rosengarten des Klosters unternahmen, konnte sie den Duft der blühenden Rosen gar nicht wahrnehmen“, sagt Mandy Ernst. „Blumen- und Kräuterbeete sind in den meisten Gärten am Boden angelegt. Das ist für uns ein typisches Erscheinungsbild, für Menschen mit Beeinträchtigungen jedoch bedeutet dies, dass sie außer Reichweite für ihre Sinne liegen.“ Und diese sei nur eine von vielen Einschränkungen, erklärt die angehende Pflegefachfrau. Selbst sogenannte „Sinnesgärten“ seien meist sehr verzweigt aufgebaut und damit für Demenzerkrankte oder Sehbehinderte ungeeignet. Und neben den Pfaden platzierte Ruhebänke lüden zwar zum Verweilen ein, jedoch fühlten sich Rollstuhlfahrer dadurch ausgegrenzt.

Auf die Einzigartigkeit jedes Menschen eingehen

„Aus der Idee ist ein echtes Herzensprojekt geworden, das nun immer mehr Form annimmt“, sagt Mandy Ernst. Einer ihrer Patienten brachte sie schließlich auf den Namen „Garten der Einzigartigkeit“. Denn dieser Begriff schließt jeden Menschen ein – gelebte Inklusion. Der Garten hat die Form eines Kleeblattes; jedes davon ist thematisch anders aufgebaut und nach der Erkundung eines Blattes findet man sich in der Mitte des Gartens wieder. Verschiedene Hochbeete laden zum Riechen der Blumen und Kräuter und zum Beobachten der Insekten ein, Beerensträucher zum Schmecken der Früchte. „Jedes Beet hat außerdem die Besonderheit, dass es mit einem Rollstuhl unterfahrbar ist und über einen Handlauf verfügt“, erläutert Mandy Ernst. „Mein Vater ist Schreiner und unterstützt mich bei der Entwicklung. Er baut gerade ein Modell für eine Bank, in deren Mitte man einen Rollstuhl integrieren und sich somit viel besser unterhalten kann.“

Für sehbehinderte Menschen bietet der Garten Hummelbeete, Wind - und Wasserspiele sowie ein Blindenleitsystem. Für Gehörlose sollen sogenannte „Fühle-den-Beat-Trommeln“ aufgestellt werden. Ein beliebtes Element in vielen Sinnesgärten sind außerdem Barfußpfade. Diese möchte auch die Pflegeschülerin einbringen, jedoch erweitert durch große Tastbretter, die mit den Fingern zu befühlen sind. „Nicht nur Rollstuhlfahrer/-innen können diese anstatt des Pfades nutzen – auch Diabetiker, bei denen das Verletzungsrisiko an den Füßen zu hoch ist, haben somit eine Alternative“, sagt Mandy Ernst. Breite Wege, Infotafeln in mehreren Sprachen und ausreichend Wegweiser machen den „Garten der Einzigartigkeit“ komplett.

Von der Idee zur Umsetzung

Mittlerweile ist Mandy Ernst eine von nur noch drei Finalist/-innen, deren Ideen nun Königin Silvia von Schweden zur Entscheidung vorgelegt werden. Die Bottendorferin konnte in der vorletzten Auswahlrunde am 4. Dezember in Berlin überzeugen. Vor einer Jury hielt sie einen zehnminütigen Vortrag mit Präsentation auf Englisch und stellte ihr Projekt vor; im Anschluss folgte eine Fragerunde. Die angehende Pflegefachfrau ist sich sicher, dass Ihre Idee vor allem durch die gute Umsetzbarkeit in verschiedenen Settings mit unterschiedlichem Platzangebot auf so viel Zuspruch stößt. „Während meiner Ausbildung bei Vitos Haina habe ich viel über die menschliche Psyche gelernt und wie ich in verschiedenen Situationen auf die Patient/-innen eingehe“, erläutert Mandy Ernst. „Ein Teil unserer pflegerischen Arbeit besteht darin, Achtsamkeitsübungen durchzuführen und negative Emotionen, sogar Aggression, durch Reizumleitung abzuwenden.“ Achtsamkeitsspaziergänge im Sinnesgarten seien hierfür bestens geeignet und somit ein entscheidendes Therapieinstrument, das nachweislich wirke. Ein weiteres Argument für ihr Konzept.

Beruf mit Perspektive

Die 33-Jährige arbeitete einige Jahre in der Gastronomie, bevor sie sich für eine Karriere in der psychiatrischen Pflege entschied. „Hier sehe ich meine Zukunft, weil es hier um das Gute im Menschen und um Menschlichkeit geht. Mein Job ist es, anderen zuzuhören und ihre Probleme ernst zu nehmen. Dafür habe ich hier die Zeit und zudem ein krisensicheres Arbeitsumfeld.“ Vitos Haina erweitert momentan sein psychiatrisch-psychotherapeutisches Angebot im Landkreis Waldeck-Frankenberg und darüber hinaus. Mehrere Bauprojekte, davon allein zwei auf dem Campus in Haina, werden zurzeit realisiert. Mandy Ernst ist guter Dinge, dass die erste Version ihres Gartens der Einzigartigkeit in eines der landschaftsarchitektonischen Konzepte integriert und für die Patient/-innen und Klient/-innen umgesetzt werden kann.

„Ich bin sehr stolz auf Mandy“, sagt Nina Kuhl, Pflegedirektorin der Vitos Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Haina. „Ihr Konzept ist großartig und spiegelt ihren empathischen und lösungsorientierten Umgang mit unseren Patient/-innen wider. Für unsere psychiatrische Klinik ist ihre Teilnahme eine Premiere und ich drücke ihr die Daumen zum Sieg – dieser wäre absolut verdient.“ Die Pflegedirektorin hatte ihr den Rücken gestärkt, unter anderem in Form von Freistellungen, damit sie sich der Ausarbeitung ihres Projekts widmen konnte.

Verkündung der Gewinnerin am 19. Dezember

„Das Stipendium ist eine hohe Auszeichnung, die auch mit Zeit verbunden ist – die Gewinnerin oder der Gewinner vertritt ein Jahr lang die Stiftung zu verschiedenen Anlässen und sitzt in der Jury für den Award 2024“, sagt Nina Kuhl. „Sollte Mandy gewinnen, freuen wir uns sehr und unterstützen sie, wo wir können.“ Bis zum 19. Dezember ist allerdings noch Geduld angesagt, erst dann wird verkündet, wer gewonnen hat und im Mai zur Preisverleihung nach Schweden fliegt. Das Stipendium beinhaltet außerdem 6.000 Euro Preisgeld und ein individualisiertes Praktikum von bis zu sechs Monaten. „Ich bin gespannt, wie die Reise weiter geht“, sagt Mandy Ernst. „Meine berufliche Reiseroute steht jedoch fest: Nach der Ausbildung möchte ich gern in der Erwachsenenpsychiatrie bei Vitos Haina arbeiten und die Patient/-innen darin unterstützen, ihre Einzigartigkeit zu fördern.“

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