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Frühe Belastungen haben Folgen für Familien, Säuglinge und Kinder

Datum:
Fachbereich:
Erwachsenenpsychiatrie
Gesellschaft:
Vitos Herborn gGmbH

Herborn, 14. November 2016 / Über 200 interessierte Fachleute kamen zum 35. Arbeits- und Begegnungsforum der Vitos Klinik Rehberg Herborn in den Festsaal von Vitos Herborn. Im Mittelpunkt der traditionellen Fortbildungsveranstaltung standen psychisch erkrankte Eltern mit Hoch-Risiko-Kindern.

Prof. Dr. Manfred Cierpka

„Frühe Belastungen haben Folgen für Familien, Säuglinge und Kinder, aber frühe Interventionen bieten auch Chancen für genügend Entwicklung“, führte der Leiter der Klinik, Professor Dr. Matthias Wildermuth, seine Gäste in das Thema ein. Er hob hervor, dass betroffene Familien durch die Interaktionstherapie intensiv unterstützt und so schwer wiegende Folgen einer gestörten Beziehung zwischen Eltern und Kind in den ersten Jahren vermieden werden können. Hier ist die frühe Beobachtung, Begleitung und intensive Unterstützung dieser Familien, in der die Eltern an manifesten psychiatrischen Erkrankungen leiden, von hoher Bedeutung.

Für die Vorträge war der federführende Initiator hilfreicher Netzwerke in Deutschland, Professor Dr. Manfred Cierpka eingeladen. Der Facharzt für Psychotherapeutische Medizin, Psychoanalytiker und Familientherapeut hat bereits wissenschaftliche Forschungen und Veröffentlichungen im Bereich der frühen Hilfen vorangetrieben. Zu Beginn seiner Vorträge ging er auf die frühe Entwicklung der Persönlichkeit ein. Hier spielen die ersten Lebensjahre eine große Rolle. Die Lernerfahrungen in den primären Beziehungssystemen schlagen sich als innere Struktur nieder. Man hat herausgefunden, dass die hirnstrukturelle Entwicklung überwiegend in der frühen Kindheit erfolgt. Dabei ging Cierpka auf die unterschiedlichen Stresserfahrungen ein, die für Langzeitfolgen verantwortlich sind. Neben Vernachlässigung und Beziehungsbrüche sind auch die Belastungen durch körperliche und psychische Erkrankungen der Eltern oder gar der Tod eines Elternteils zu nennen und ernst zu nehmen. Frühe Stressoren bei Kindern sind inzwischen auch neurobiologisch nachweisbar. Sie führen zu Erkrankungen und sozialen Problemen im späteren Leben.

Prävention durch Elternschulen und aufsuchende Hilfangebote

Internationale Langzeitstudien zeigen, dass Kinder zu einer Risikogruppe werden, wenn die Belastungsfaktoren größer sind als die Schutzfaktoren wie Intelligenz, Temperament, Geschlecht und sichere Bindungen. Weiter wies Cierpka auf die generationsübergreifende Weitergabe von Belastungen hin. Die psychosoziale Prävention müsse bei der Förderung von Bindung, Gesundheit und Bildung, aber auch dem Schutz und Erwerb von Beziehungskompetenzen beim Kind ansetzen. Er schilderte anhand von Videosequenzen seine Arbeit beim Aufbau von Elternschulen, aufsuchenden Hilfen sowie der Interaktionstherapie.

Nach einem gemeinsamen fachlichen Austausch vertiefte Cierpka das Thema mit einem Einblick in die Therapie von Regulationsstörungen: „Schon bei den sogenannten ‚Schreibabys‘ oder auch Kleinkindern mit Schlaf-, Fütter- und Gedeihstörungen kommt es besonders auf die subjektiven Belastungsgrenzen der Eltern an.“ Häufig entwickeln sich trotz bester Absichten der Eltern schon in den ersten Tagen und Wochen problematische Kreisläufe, die durch fälschliche Bewertungen der kindlichen Signale und verschlimmernde Reaktionen der Eltern in Gang gesetzt werden. Diese führen zu Krisen auf Seiten der Beteiligten. Massive Erschöpfungszustände sind die Folgen. Schlimmstenfalls kommt es zu gewalttätigen Übergriffen auf das kleine Kind. Im Vortrag wurde deutlich, wie wichtig der feinfühlige Umgang mit dem Baby, insbesondere die Anerkennung seiner Bedürfnisse und der Kompetenzen zur Selbstregulation, aber auch die „Co-Regulierung“ durch die Erwachsenen sind.

Die Veranstaltung war der Beginn einer Reihe von Fachforen bei Vitos Herborn, in der sich die Experten des Klinikums und der Vitos begleitenden psychiatrischen Dienste in den nächsten 18 Monaten mit Eltern-Kind-Interaktionsstörungen und deren Behandlung auseinander setzen. Hier werden alle Kombinationen wie „Kranke Eltern – kranke Kinder“, „Gefährdete Eltern – kranke Kinder“, „Kranke Eltern – gefährdete Kinder“ besprochen.

Hintergrund:
Die Vitos Klinik Rehberg gehört zur Vitos Herborn gemeinnützige GmbH. Sie ist eine Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie mit 75 Betten, 55 tagesklinischen Plätzen sowie Ambulanzen in Herborn, Wetzlar, Limburg, Gelnhausen und Hanau und behandelt psychisch erkrankte Kinder und Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr.
 

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