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Pferde als Therapeuten – In der Gießener Klinik werden Patienten von „Nelli“ unterstützt

Datum:
Fachbereich:
Fachbereichsübergreifend
Gesellschaft:
Vitos gGmbH

Bevor sie das erste Mal auf der Stute „Nelli“ saß, hatte Irene Weller (Name geändert) mit Pferden wenig am Hut. Überhaupt interessierte die 53-Jährige schon lange nichts mehr. Wochenlang verließ die arbeitslose Kauffrau kaum das Bett, schlief oder döste mehr als 12 Stunden am Tag und ignorierte jedes Klingeln des Telefons. Stattdessen grübelte sie viel - alles erschien ihr schrecklich sinnlos. Irene Weller litt an einer schweren Depression.

Patient und Betreuer der Gießener Klinik bei der Therapie mit einem Pferd. (Foto: ZSP Mittlere Lahn)

Besorgte Freunde brachten sie schließlich in die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Gießen in der Licher Straße. Als sie in eine stationäre Therapie einwilligte, wünschte sie sich nur, „endlich wieder besserer Stimmung zu sein und nicht nur antriebslos im Bett zu versacken“. Dass ihr dabei ein Pferd helfen würde, hätte sie zu diesem Zeitpunkt für Unsinn gehalten. Doch wenn man sie nach einigen Wochen Behandlung beobachtet, sieht man einen deutlichen Fortschritt: Sie wirkt entspannter, kann besser schlafen und hat, mit dem Ausblick auf die wöchentlichen Therapiestunden, wieder insgesamt mehr Antrieb und Lebensfreude zurück erhalten.

So oder so ähnlich sehen die Ergebnisse aus, die man häufig im Verlauf einer tiergestützten Therapie beobachten kann. Sie können – wie wissenschaftlich belegt wurde - andere therapeutische Maßnahmen sehr sinnvoll ergänzen. Vielfach sind Pferde hervorragende „Therapeuten“, nehmen sie doch den Menschen an, so wie er ist. Die Interaktion zwischen Mensch und Pferd ist nonverbal, die Sprache steht im Hintergrund. Körperliche Ausdrucksfähigkeit, Gestik, emotionale Intention und die Echtheit der Beziehung sind wesentlich bei dem gemeinsamen Erleben mit dem Pferd, hinzu kommen Körperwahrnehmung und Körperkontrolle (Balance) beim Reiten. Die direkten Reaktionen des Pferdes lassen die Aufmerksamkeit fokussieren, sie können als Spiegel von Seelenzuständen erlebt und genutzt werden und verhelfen zu Entspannung und Selbstbewusstsein. Dies sind unter anderem die Gründe, warum seit September dieses Jahres die Therapie mit den Pferden erstmalig in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Gießen angeboten wird. Der Ärztlicher Direktor PD Dr. Matthias J. Müller erklärt: „Zwischen Pferd und Mensch entsteht ein Bewegungsdialog, der Anspannungen löst und Ressourcen aktiviert (Empowerment)“.

Einmal in der Woche fährt die leitende Ergotherapeutin der Gießener Klinik, Ursula Ritter, mit einer kleinen Gruppe Patienten in einem Kleinbus von Gießen in die Gemeinde Schöffengrund. In dem kleinen Ortsteil Oberwetz wartet Monika Prinz, die Inhaberin des Zucht- und Ausbildungsstalls „Dülmener vom Köhlerberg“ mit ihrer Herde Ponys auf ihre Gäste. Die kleinen Pferde eignen sich aufgrund ihrer besonderen Charaktereigenschaften besonders für die Arbeit auch mit völlig pferdeunerfahrenen Menschen. Sind sie doch nervenstark, freundlich und zutraulich und wegen ihrer Robusthaltung sehr ausgeglichen. In der besonderen Landschaft des Vordertaunus können Patienten neue Erfahrung sammeln, bewegen und entspannen und mit Hilfe der Pferde an ihren seelischen Problemen arbeiten.

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