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Eine junge CRPS-Patientin berichtet

Sehr geehrter Dr. Böger, sehr geehrter Dr. Bosse, liebes Team der Abteilung Schmerzmedizin in der Vitos Orthopädischen Klinik Kassel, 

(…) Der Dezember ist traditionell der Monat der Rückblicke. Die letzten Jahre habe ich nicht gerne zurückgeblickt, denn seit diesem einen Tag im Januar vor bald fünf Jahren ist plötzlich alles anders geworden. 
Es ist eine enorme Herausforderung, mit der man konfrontiert ist, wenn man an einer Krankheit wie CRPS erkrankt, wenn im Leben fast alles zerbricht und man nicht mehr weiß, wie man überhaupt weitermachen soll. 
Dieses Jahr möchte ich trotzdem versuchen ein wenig zurück zu blicken. 
Trotz guter ambulanter Betreuung hatten sich die Schmerzen über den Winter 2021/2022 wieder verschlechtert - nicht unbedingt der beste Start ins neue Jahr. So entschieden mein Behandlungsteam und ich, dass eine stationäre multimodale Schmerztherapie in Ihrem Team hilfreich sein könnte. 
Im Sommer war es dann soweit. Ich durfte in die Abteilung Schmerzmedizin in der Vitos Orthopädischen Klinik Kassel kommen und mich in die Hände des CRPS-erfahrenen Teams rund um Sie, Dr. Böger, begeben. Ich hatte von Beginn an das Gefühl, gut aufgehoben zu sein und ernst genommen zu werden. Vielleicht sogar ernster als ich mich selbst manchmal nehme. 
Gerade im Fall von CRPS habe ich schon oft gehört, dass Patient:innen von Ärzten und Ärztinnen nicht für voll genommen werden. Leider habe ich auch schon diese Erfahrung machen müssen. 
Das kann allerdings dazu führen, dass man sich abwertet und es sich selbst nicht vergeben kann, noch nicht wieder gesund zu sein. Vielleicht ist Ihre Art und Weise, mit Ihren Patient:innen umzugehen, der erste Schritt, diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Es tut auf alle Fälle gut und ist aufbauend. Danke dafür! 
Insbesondere die empathische, aber durchaus auch fordernde Art und Weise von Dr. Bosse habe ich als hilfreich empfunden. Er hatte immer Zeit, wenn nötig und hat mir nicht den Eindruck vermittelt, längst schon woanders sein zu wollen. Dabei bin ich mir sehr sicher, dass Sie alle nicht unter Langeweile leiden. 
Das wichtigste, was ich mitnehmen konnte, war vermutlich Hoffnung. Nicht die Hoffnung auf ein Wunder, aber die Hoffnung, etwas beeinflussen zu können. Und das ist ein großes Geschenk. In gewisser Weise war für mich also bereits vor einem halben Jahr Weihnachten. 
Wie haben Sie das außer durch den Umgang und Gespräche erreichen können? 
Neben der bekannten Spiegeltherapie übte ich unter anderem auch, „richtig“ zu laufen, spiegelte Videos meiner gesunden Hand und versuchte mich in Achtsamkeit. Bewusst meine Hand einsetzen oder nicht einsetzen. Nicht urteilen. Ja, ich habe gerade die Worte „die Hand“ gelöscht und durch „meine Hand“ ersetzt. Es passiert mir immer noch. Ich versuche weiterhin darauf zu achten und, viel schwieriger noch, es lediglich wahrzunehmen. 

Da meine bisherigen nicht-invasiven Behandlungsversuche nicht ausreichend waren, wurde in der stationären multimodalen Schmerztherapie nicht nur bereits bekannte Übungen wiederholt und vertieft, sondern auch die medikamentöse Behandlung weiter intensiviert. 
Das war etwas, wonach ich nie aus eigenem Impuls gefragt hätte, denn wenn nicht unbedingt nötig, hätte ich bei neuen Medikamenten immer abgewunken. Allerdings führt diese Einstellung oft dazu, dass ich viel zu lange die Zähne zusammenbeiße und versuche die Schmerzen zu ignorieren, indem ich die komplette Hand ausblende. Auch dabei, diesen Umstand besser zu realisieren, wurde mir von Ihrem Team geholfen. 
Ich konnte dann auch sehr von den durchgeführten Ketamininfusionen profitieren. Sie haben mir nicht nur während des Aufenthalts geholfen, mich besser von den Schmerzen zu distanzieren und ein gezielteres Training der betroffenen Hand ermöglicht, sondern mich auch darüber hinaus im "echten Leben" unterstützt und wesentlich mehr Teilhabe ermöglicht. 
Das habe ich genutzt, um einen beruflichen Neustart zu wagen und mich aktiver mit meinem Hobby und natürlich auch dem restlichen Privatleben zu beschäftigen. Ich habe seit jüngster Kindheit mit Pferden zu tun und auch nach meiner Erkrankung an CRPS nicht damit abgeschlossen. In diesem Jahr habe ich das erste Mal mit Sportgesundheitspass als Para-Reiterin an offiziellen Regelturnieren teilgenommen, mich also mit allen anderen „normalen“ Reiter:innen ohne Sportgesundheitspass und Hilfsmitteln gemessen. Und das hat zu meinem eigenen Erstaunen tatsächlich sogar erfolgreicher funktioniert als ich erwartet hätte. Ein Faktor war definitiv das besondere Pferd, das ich reiten darf. Aber dabei, mir diesen brennenden Wunsch der Turnierteilnahme zu erfüllen, hat sicherlich auch die Behandlung in Kassel geholfen. Daher möchte ich Ihnen allen ein Interview zeigen, das ich über das Reiten mit Handicap auf Islandpferden gegeben habe (LINK). 
Selbstverständlich war und ist nach meinem Aufenthalt in der OKK nicht plötzlich alles gut gewesen. 
Nach dem Sommer, als es das erste Mal wieder kalt wurde, kamen auch die stärkeren Schmerzen wieder zurück. Das ist frustrierend, im ersten Moment auch ziemlich beängstigend. CRPS ist und bleibt bisher einfach eine für mich noch immer nicht einschätzbare Erkrankung. Hatte ich vor ein paar Wochen die heftigste Schmerzattacke seit drei Jahren? Ja, definitiv. 
Doch ich habe auch gelebt. Das versuche ich mir zu sagen, immer wieder aufs Neue. Es ist schwer. Es ist schwer, mit allen Einschränkungen im Leben zurecht zu kommen – gerade wenn man vor der Erkrankung jung, voller Pläne und zielstrebig war. Sie haben mir gezeigt, dass dieser Mensch, der ich mal war, nicht komplett verschwunden ist. 
Es ist also noch lange nicht alles wieder gut. Aber meine Zeit in Kassel hat das "Trotzdem" gestärkt. Und das ist überlebensnotwendig. 
Daraus kann und wird hoffentlich mehr wachsen. 
Vielen Dank.

Eine junge CRPS-Patientin berichtet (Dezember 2022)

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