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Angehörige sind jederzeit erwünscht

Datum:
Fachbereich:
Neurologie
Gesellschaft:
Vitos Weil-Lahn gGmbH

Die Intensivstation der Vitos Klinik für Neurologie Weilmünster hat das Zertifikat der angehörigenfreundlichen Intensivstation verliehen bekommen. Der Verein Pflege e. V. vergibt dies, um einen bewussten Umgang mit Angehörigen zu fördern.

Weilmünster / Die Türe ist verschlossen, man muss klingeln und warten, bis Einlass gewährt wird. An den Krankenbetten stehen zahleiche Geräte und permanente Signaltöne sind zu hören. "Die Intensivstationen haben sich im Laufe der Jahre zu einem angstbesetzten Bereich entwickelt", schildert Martin Engelhardt. Der Geschäftsführer des Vitos Klinikums Weil-Lahn in Weilmünster kann den Grund dafür nicht nennen. Er möchte aber daran etwas ändern und vor allem die Angehörigen der Patienten in den Blick zu nehmen. Klinikdirektor PD Dr. med. Christoph Best ist mit dieser Haltung ganz bei ihm: "Es ist eine zeitgemäße und dringend notwendige Entwicklung, dass die Intensivmedizin verstärkt die Angehörigen in den Fokus nimmt." Folgerichtig hat das Pflegeteam der Intensivstationen gemeinsam mit den ärztlichen Kollegen das Konzept der angehörigenfreundlichen Station erarbeitet und dafür das Zertifikat erhalten.

Besucher sind immer willkommen

Annegret Ochs, stellvertretende Krankenpflegedirektorin und Stationsleiterin Maren Sehr haben das Projekt geleitet. "Was in der Kinderpflege schon lange selbstverständlich ist, kommt nun glücklicherweise auch in der Erwachsenenpflege an: Die wichtige Rolle der Angehörigen für den Genesungsprozess wird erkannt", konstatiert die Fachkrankenschwester für Intensivmedizin Sehr. "Nicht nur, weil die Betroffenen meist nicht selbst über sich Auskunft geben können. Sondern auch, damit der Patient merkt, dass er nicht allein ist und durch vertraute Personen Unsicherheiten ablegen kann." Annegret Ochs erklärt eine der Änderungen im Rahmen der Zertifizierung: "Bei uns gibt es keine vorgeschriebenen Besuchszeiten mehr. Die Angehörigen können jederzeit kommen."

"Angehörigenfreundlich" ist zugleich auch "patientenfreundlich"

"Man muss mal in die Lage der Patienten versetzen", sagt Maren Sehr und schildert eindrücklich die Situation, in der sich viele Patienten befinden und welche Rolle die Angehörigen dann spielen. "Die erkrankten Menschen meist waren eine Zeitlang ohne Bewusstsein. Dann wachen sie auf, haben vielleicht Schmerzen, können sich nur eingeschränkt bewegen und wissen vor allem nicht, wo sie sind. Es fehlt ein Stück in ihrer Erinnerung und plötzlich sind sie in einer fremden Umgebung mit völlig unbekannten Menschen. Die Sinnenwahrnehmungen sind möglicherweise noch eingeschränkt und sie hören nur Stimmen, die sie nicht kennen." Es geht darum, dem Patient das Gefühl zu geben, dass er nicht allein ist und vertraute Menschen für ihn da sind. Das können Angehörige am besten. Mit ihrer Hilfe kann der Patient Vertrauen in die Behandlung entwickeln, was für die Genesung eine wichtige Voraussetzung ist. Genauso wichtig ist es, Angst zu nehmen. Denn Angst hat einen großen Einfluss auf das Schmerzempfinden.

Mit Hilfe der Angehörigen kann das Pflegeteam erfahren, wie der Mensch vor der Erkrankung war. Es geht darum, individuelle Wünsche zu erfüllen und die Situation für den Patienten derart zu gestalten, dass es ihm möglichst gut geht. Daher gehört zum Konzept der angehörigenfreundlichen Intensivstation ein Fragebogen zur Biographie. Hier werden systematisch Vorlieben und Neigungen des Patienten abgefragt. Maren Sehr erklärt: "Wenn wir das Lieblingsgetränk kennen, können wir es zur Geschmackserinnerung in die Mundpflege einbinden. Oder bei einem Fußballfan schalten wir im Fernsehen die Übertragung des Spiels ein. Uns ist es wichtig, ein großes Angebot zu machen, um so zu herauszufinden, was gut tut."

Die Angst der Angehörigen in eine positive Grundhaltung überführen

Klinikdirektor PD Dr. med. Best betont: "Die Angehörige sollen sich willkommen fühlen. Wir informieren sie umfassend über Behandlung, und Therapie und auch darüber, wie es weiter gehen soll. Verständnis reduziert die Angst. Vor allem für den Patienten ist es wichtig, dass die Angehörigen nicht nur weinend und trauernd am Bett sitzen. Ich sehe unsere Aufgabe darin, sie in einer positiven Grundhaltung zu unterstützen: Es ist ein schwere Phase, aber wir arbeiten gemeinsam daran, dass er wieder besser wird." Für Angehörige gibt es auf der Weilmünsterer Intensivstation eine Visite, bei der gemeinsam mit Ärzten und Pflege über den Zustand des Erkrankten gesprochen wird. Dazu gibt es einen mit Vorlauf vereinbarten Termin. So ist garantiert, dass sie nicht zwischen Tür und Angel stattfindet und die Angehörigen ausreichend Zeit haben, sich in Ruhe vorzubereiten und vielleicht auch zu Fragen im Kreis ihrer Familie zu beraten.

Maren Sehr fasst die Absicht der Intensivstation zusammen: "Wir wollen erreichen, dass sie alles erfahren, was sie wissen möchten. Speziell für Angehörigen haben wir daher auch eine Broschüre erstellt, in der sowohl Vorgänge und Abläufe als auch die technische Ausstattung einer Intensivstation erklärt werden. So kann man in Ruhe alles nachlesen."

Den Genesungsprozess aktiv unterstützen

Damit das Gefühl von Abhängigkeit und Passivität reduziert wird, können sich die Familienmitglieder auch bei der Pflege einbringen. "Vielen hilft es, wenn sie für ihre Angehörigen konkret etwas tun können, wie beispielsweise eincremen oder Mundpflege", erläutert Sehr. So muss man seinen Angehörigen nicht "abgeben" sondern kann an dem Genesungsprozess teilhaben und aktiv unterstützen. Sie berichtete auch den Fall einer Ehefrau, die ihren Mann zuhause pflegen wollte und auf der Intensivstation nicht nur professionell angeleitet wurde, sondern auch für sich ausprobieren konnte, ob sie sich den Aufgaben gewachsen fühlt.

Maren Sehr fasst zusammen, was das neue Zertifikat bewirkt hat: "Die Wertschätzung der Angehörigen war schon immer da, aber wir haben die Rahmenbedingungen geändert."

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