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Klinikanbau soll Mitte 2026 fertig sein

Datum:
Fachbereich:
Forensische Psychiatrie
Gesellschaft:
Vitos Weil-Lahn gGmbH

Die Entwicklung der Fallzahlen im Maßregelvollzug und der damit verbundene Erweiterungsbau der Vitos Klinik für forensische Psychiatrie Hadamar haben die Mitglieder des Forensikbeirates in ihrer jährlichen Sitzung beschäftigt.

forensik maßregelvollzug hadamar © Gerlach Schneider Partner Architekten
Der Erweiterungsbau der Vitos Klinik für forensische Psychiatrie Hadamar ist mit den bestehenden Klinikgebäuden verbunden und bietet weitere 60 Betten auf drei Stationen. Im Untergeschoss sind Verwaltungsräume vorgesehen.

Den Blick in die berühmte Glaskugel hätten sich die Mitglieder des Forensikbeirates im Vitos Festsaal auf dem Hadamarer Mönchberg bei ihrer Sitzung so manches Mal gewünscht. So lässt sich allenfalls eine Prognose wagen, wie sich die Zahlen der Patientinnen und Patienten im Maßregelvollzug entwickeln werden, aber auch, welche Auswirklungen die Reform des Paragraphen 64 des Strafgesetzbuches darauf hat.

Martin Neßhold, Leiter der Abteilung Maßregelvollzug in der Vitos Holding, erläuterte die Fallzahlenentwicklung in den forensischen Kliniken in Hessen. Er führte aus, dass insbesondere seit 2016 ein erheblicher Anstieg zu beobachten gewesen sei. „Etwa 36 Patienten sind es pro Jahr im hessischen Maßregelvollzug mehr geworden. Es gibt keine valide Schätzung, aber wir müssen davon ausgehen, dass die Zahlen weiter ansteigen“, so Nesshold.

Vitos reagiert darauf mit verschiedenen baulichen Maßnahmen. Aktuelle Großprojekte gibt es in Hadamar und Haina. In der Fürstenstadt wird der bestehende Forensikkomplex in den kommenden zwei Jahren um einen Anbau erweitert, der dort entsteht, wo gerade das ehemalige Haus 2 abgerissen wird. Geschäftsführer Martin Engelhardt: „Diese Planung greift auf den ursprünglichen Entwurf zurück, der beim Bau der jetzigen Klinik erstellt wurde. Dieser sah drei Gebäude vor, von denen aber seinerzeit wegen des Belegungsrückgangs nur zwei realisiert wurden.“

Nun ist die Situation anders – es gibt aktuell zu wenig Betten in den forensischen Kliniken. Im L-förmigen Erweiterungsbau, der Mitte 2026 fertig sein soll und ein Investitionsvolumen von rund 30 Millionen Euro hat, entstehen 60 weitere Plätze auf drei Stationen. Bisher verfügte die Klinik über 162 Betten und weitere zwölf Plätze in einer Außenwohngruppe. „Die Herausforderung ist, das Gebäude an den Hang zu bauen und optisch harmonisch in das bestehende Gesamtensemble zu integrieren“ führte Sandra Manegold, Ärztliche Direktorin der Vitos Klinik für forensische Psychiatrie aus, „aber ich bin sicher, dass uns das gut gelingen wird.“ 

Mit der Erweiterung der Klinik wird sich die Parksituation am Mönchberg weiter verschärfen. Schon jetzt stehen am Standort zu wenig Parkplätze zur Verfügung, weil die forensische Klinik stärker ausgelastet ist, als ursprünglich geplant. Das hatte zur Folge, dass auch die Zahl der Mitarbeitenden entsprechend gestiegen ist. Angedacht ist deshalb, die bestehenden Parkebenen aufzustocken.

Hadamars Bürgermeister Michael Ruoff sparte nicht mit Lob für den größten Arbeitgeber seiner Stadt. „Ich freue mich schon auf den Abriss und den Neubau. Vitos hat seit 2009 75 Millionen Euro am Mönchberg investiert. Hier haben wir eine Einrichtung des Landes, die zum einen viele Arbeitsplätze schafft und dann auch noch dafür sorgt, dass das Ganze vernünftig aussieht.“  Er sprach sich deshalb ausdrücklich für die Änderung des bestehenden Bebauungsplans „Am Mönchberg“ aus und dafür, die dort festgelegte Patientenzahl leicht von 235 auf 265 zu erhöhen. 

In Hadamar sind aktuell vor allem Patient/-innen untergebracht, die nach Paragraph 64 des Strafgesetzbuches (StGB) verurteilt sind. Klinikdirektorin Sandra Manegold erläuterte den Anwesenden den Unterschied zwischen einer Verurteilung nach Paragraph 63 und 64.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit oder der verminderten Schuldfähigkeit begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist (§ 63). Die Dauer der Unterbringung richtet sich nach den Behandlungserfolgen des/der jeweiligen Patient/-in und wird jährlich gerichtlich geprüft.

Gemäß § 64 Strafgesetzbuch werden Menschen in einer Entziehungsanstalt untergebracht, die wegen einer Suchtkrankheit straffällig geworden sind oder während der Tat unter Alkohol- oder Drogeneinfluss standen. Ziel der meist an eine Haft anschließenden Behandlung ist es, die Patient/-innen von ihrer Sucht zu heilen und ihnen ein straf- und suchtmittelfreies Leben zu ermöglichen. Die Unterbringung ist vom Gesetzgeber auf zwei Jahre befristet. Voraussetzung ist die nötige Erfolgsaussicht der Suchttherapie.

Seit Jahren hatten Fachleute eine Reform des Paragraphen 64 StGB gefordert. Das Gesetz sei zu weit gefasst und setze einen Fehlanreiz, weil die Unterbringung im Maßregelvollzug gemäß § 64 StGB unter bestimmten Bedingungen attraktiver ist als in der klassischen Justizvollzuganstalt, so die Kritik. Die Neufassung trat im Oktober dieses Jahres in Kraft. „Es ist noch zu früh, um eine erste Bilanz zu ziehen“, so Sandra Manegold, „und wir können nicht in die Zukunft schauen, wie die Gerichte zukünftig entscheiden werden.“

Der CDU-Stadtverordnete und Ortsverbandsvorsitzende Christian Piroth fragte, welche Schritte die Lokalpolitik gehen könne, um den steigenden Fallzahlen im Maßregelvollzug entgegenzuwirken. Die Ärztliche Direktorin betonte: „Ein stabiles Elternhaus, eine umfassende Förderung von Anfang an, das Erlernen der deutschen Sprache und eine gelungene Integration sind wichtige Bausteine zur psychischen Gesundheit.“

An allen hessischen Kliniken für forensische Psychiatrie sind Forensikbeiräte eingerichtet. Sie bilden ein Bindeglied zwischen den Bürgerinnen und Bürgern der Gemeinden und der Klinik und dienen dem wechselseitigen, kontinuierlichen Austausch. Neben Anwohner/-innen gehören Vertreter/-innen der Fraktionen der Parlamente, Kirchen und Polizei dem Forensikbeirat an. Die Städte- und Gemeindeparlamente schlagen die ausschließlich ehrenamtlichen Mitglieder vor. Anschließend werden sie durch die Gesellschafterversammlung der jeweiligen Vitos Gesellschaft berufen. Das nächste Treffen des Hadamarer Forensikbeirats ist für den 6. November 2024 geplant.

Hintergrund

Im Auftrag des Landes Hessen übernimmt die Vitos Klinik für forensische Psychiatrie den Maßregelvollzug: Sie ist eine besonders gesicherte Spezialklinik, die die doppelte Aufgabe der medizinischen Behandlung und der Sicherung ihrer Patienten hat. In der forensischen Klinik werden überwiegend suchtkranke Menschen behandelt, die straffällig geworden sind und bei denen wegen ihrer Suchterkrankung Wiederholungstaten zu erwarten sind. Sie wurden nach Paragraf (§) 64 Strafgesetzbuch (StGB) verurteilt („Unterbringung in einer Entziehungsanstalt“). Die Klinik verfügt über 162 Betten auf acht Stationen sowie weitere zwölf Betten in der Außenwohngruppe.

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