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„Ein Huckleberry Finn ist mir schon lange nicht mehr begegnet“

Datum:
Fachbereich:
Kinder- und Jugendpsychiatrie
Gesellschaft:
Vitos Weil-Lahn gGmbH

Unter dem Titel „Die jungen Wilden“ richtete die Vitos Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Hadamar zusammen mit dem Gemeindepsychiatrischen Verbund eine Fortbildungsveranstaltung zum Thema Adoleszenz aus

Hadamar, 11. April 2013 / Erwachsen werden ist nicht einfach. In der Phase der Adoleszenz sind zentrale Entwicklungsaufgaben sind zu bewältigen und für viele Jugendliche ist dies eine Zeit, in der besondere Hilfe und Unterstützung notwendig ist. Es ist auch eine Lebensphase, in der Vorzeichen von psychischen Erkrankungen auftreten können. Daher widmete sich die erste gemeinsame Fortbildungsveranstaltung der Vitos Klinik Hadamar und des Gemeindepsychiatrischen Verbunds Limburg-Weilburg diesem Thema. Im vollbesetzten Festsaal der Vitos Klinik folgten etwa 150 Teilnehmer den Vorträgen der Referenten und vertieften in den anschließenden Workshops die Inhalte.

Antje Steinhaus, Sprecherin des Gemeindepsychiatrischen Verbundes und Dr. Matthias Bender, Ärztlicher Direktor des Vitos Klinikums Hadamar, eröffneten die Veranstaltung. Antje Steinhaus skizzierte zu Auftakt die Arbeit des Gemeindepsychiatrischen Verbundes, in dem sich zahlreiche Einrichtungen des Kreises Limburg-Weilburg zusammen geschlossen haben. Das gemeinsame Ziel ist die Koordination und Weiterentwicklung der gemeindepsychiatrischen Versorgung.
Ebenso im Sinne der Vernetzung und Unterstützung ist seit zwei Jahren im Landkreis Limburg-Weilburg die Arbeitsgruppe U25 aktiv. Harry Fenzl stellte stellvertretend die Gruppe vor, in der sich Vertreter des Caritasverbandes, des Jobcenters sowie unterschiedlicher Beratungsstellen und sozialer Einrichtungen zusammengefunden haben. Gemeinsam richten sie den Blick auf die Problemsituation von jungen Volljährigen unter 25 Jahren um Hilfsangebote aufzubauen. Diese seien dringend nötig, so der der Leiter der Fachdiensteinrichtung für Wohnungslose. Er berichtete, dass bei den jungen Erwachsenen das Problem der Wohnungslosigkeit stark zunähme. Er treffe auf viele junge Menschen, die sehr stark unter der Obdach- und Heimatlosigkeit leiden und ihre Situation jenseits der Romantik der Romanfigur des Huckleberry Finn erleben.

Prof. Dr. Matthias Wildermuth aus Herborn skizzierte im Eröffnungsvortrag die Zeit der Adoleszenz als Phase des Umbruchs, Abbruchs und des Aufbruchs. Er nannte diese Lebensphase eine Brückenzeit zwischen Kindheit und Erwachsenenidentität, in der als Aufgaben die Ablösung von den Eltern, die Verankerung in der Gruppe der Gleichaltrigen und die Neustrukturierung der Beziehungen zu Familie und Freunden zu leisten sei. Der Direktor der Vitos Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie beobachtet in seiner klinischen Praxis eine Verlängerung der Jugendzeit. Der Preis dafür sei eine Verkürzung der Kindheit und eine Vorverlagerung der Pubertät. Er beschrieb die Adoleszenz besonders bei bindungsgestörten Menschen als problematische Phase und betonte die wichtige große Rolle der Früherkennung von psychischen Erkrankungen in diesem Alter. Viele Störungen seien seit langem gewachsen und bei einer angemessen frühen Intervention gäbe es gute Möglichkeiten der Stabilisierung.

Der klinischen Praxis wandte sich Dr. Jan Lauer zu: Der Oberarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Sonnenberg in Saarbrücken berichtete von einer psychiatrischen Station für Jugendliche. Die nach seiner Einschätzung künstliche Grenze zwischen den Fachbereichen der Kinder- und Jugendpsychiatrie und Erwachsenenpsychiatrie werde durch die Station für Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 16 bis 25 Jahren überwunden. Denn diese passten weder in die kinder- und jugendpsychiatrischen noch in die erwachsen­psychiatrischen Bereiche. Im Therapiekonzept der Adoleszenten-Station ist vorgesehen, dass alle Angebote altersspezifisch abgestimmt werden. Als Beispiele nannte er ein jugendgemäßes Sportangebot oder einen altersgerechten Tagesablauf mit späterem Abendessen. Für Heiterkeit sorgte seine Schilderung der Weckmethoden am Morgen, hier kämen - natürlich in Abstimmung mit den Patienten – auch mal Wasserpistolen oder laute Schlagermusik zum Einsatz. Dr. Lauer nannte als zentrales Anliegen, den jungen Menschen eine positive Psychiatrie-Erfahrung auf Basis von Freiwilligkeit zu vermitteln.

Von den LWL-Kiniken Lippstadt und Warstein war Chefarzt Dr. Ewald Rahn als Referent geladen. Er sprach über die Bedeutung der Langeweile und skizzierte verschiedene Sichtweisen auf das Phänomen von einer Vorphase der Kreativität bis zur inneren Leere und destruktivem Zustand. An Fallbeispielen aus seinem klinischen Alltag beschrieb er die Langeweile als Zustand einer inneren Orientierungslosigkeit und Verzweiflung sowie als Ausdruck der Unfähigkeit das Leben anzunehmen. Die zahlreich besuchte Fortbildungsveranstaltung schloss mit sechs Workshops zum Themenspektrum. Die Veranstalter zogen ein positives Résumé und freuten sich über eine gute Resonanz der Teilnehmer.

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