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Frauen im Fokus: Vitos Hadamar lud zur 6. Frauenfachtagung

Datum:
Fachbereich:
Forensische Psychiatrie
Gesellschaft:
Vitos Weil-Lahn gGmbH

Hadamar, 28. Mai 2014 / Vitos Hadamar richtete wieder die deutschlandweit einzige Fachtagung zur geschlechtsspezifischen Behandlung von suchtkranken Frauen und suchtkranken Straftäterinnen aus.

„Alles unter einen Hut bringen“ – was privat nicht ganz einfach ist, kann auch im beruflichen Kontext eine Herausforderung sein. Die Vitos Klinik für forensische Psychiatrie stellte diese Redensart als Motto ihrer diesjährigen Frauenfachtagung voran. Damit lenkte sie den Fokus auf Auswahl und Zusammenspiel der verschiedenen Therapieangebote bei der Behandlung der Patientinnen. Hier wurden die Möglichkeiten aber auch die Grenzen der Behandlung von suchtkranken Straftäterinnen ausgeleuchtet.

Die Tagung lockte auch in diesem Jahr wieder Teilnehmer aus ganz Deutschland nach Hadamar. An zwei Tagen trafen sich Fachkräfte, um sich über frauenspezifische Sucht- und Delinquenzbehandlung im Maßregelvollzug weiter zu bilden. Ärzte, Psychologen, Pflegefachkräfte, Mitarbeiter der Justizvollzugs­anstalten und Ergotherapeuten nutzten die Fachtagung als Plattform zu einem regen Fachaustausch.

Als Einstieg in das Thema stellte Referent Christoph Rohletter die Milieutherapie vor. Er berichtete von seinen Erfahrungen in der Justizvollzugsanstalt Pöschwies (Schweiz), wo mittels der Milieutherapie für die straffälligen und suchtkranken Patienten ein veränderungsförderliches Milieu geschaffen wird. Das Umfeld wird für den Patienten dabei so gestaltet, dass sich die Behandlungsbereitschaft erhöht.

 

Dr. Ingo Schäfer stellte die aktuellen Entwicklungen in der Behandlung traumatisierter Suchtkranker vor. Der Oberarzt des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf machte deutlich, dass ein Trauma nicht nur von einem Ereignis wie beispielsweise Verkehrsunfall oder Kriegshandlung ausgelöst werden könne. Vielmehr gäbe es ein hohes Vorkommen von interpersonellen Traumata, die von emotionaler, sexueller oder körperlicher Gewalt ausgelöst werden. Die aktuellen Studien zum Zusammenhang von Sucht und Trauma zeigten, das einer Vielzahl von Suchterkrankungen ein Trauma zugrunde liege. Zudem sei eine Suchterkrankung ein Risikofaktor für weitere traumatische Erfahrungen. Schäfer plädierte die Traumabehandlung stärker bei der Suchtbehandlung in den Fokus zu nehmen, insbesondere im ambulanten Bereich. Auf der forensischen Frauenstation der Vitos Klinik in Hadamar wird dieser Ansatz bereits umgesetzt – alle Mitarbeiterinnen der Station erhalten eine Weiterbildung in Trauma-Begleitung.

 

Zum Abschluss des ersten Tagungstages lenkte Dr. Michael Huppertz die Aufmerksamkeit der Teilnehmer auf die Achtsamkeit. Huppertz stellte seinen Ansatz der achtsamkeitsbasierten Therapie vor, die bei Abhängigkeit und anderen psychischen Erkrankungen wie Depressionen oder Essstörungen eingesetzt wird. Der Facharzt erläutere Achtsamkeit als „Kunst da zu sein“. Das bedeute eine bewusste, absichtslose, offene, experimentelle Haltung zum gegenwärtigen Geschehen. Er verdeutlichte seine Ausführungen mit praktischen Übungen für das Plenum.

 

Mit Spannung wurde der Vortrag von Verena Klein verfolgt. Die Chefärztin an der Klinik für forensische Psychiatrie und Psychotherapie am kbo-Isar-Amper-Klinikum in Taufkirchen berichtet über eine Mutter-Kind-Station im Maßregelvollzug. Drogenabhängige Mütter werden dort gemeinsam mit ihren Kleinkindern aufgenommen. Sie erhalten Therapie und lernen zugleich ihre Kinder selbstständig und umfassend zu versorgen. Keine leichte Aufgabe für suchtkranke Patientinnen, wie die Fachärztin berichtete. Zudem fordere die besondere Situation auf der Station auch die anderen Mitpatientinnen in Bezug auf Rücksichtnahme oder der emotionalen Konfrontation mit der eigenen Mutterschaft. Das Konzept der noch recht neuen Station habe sich grundsätzlich bewährt, werde jedoch kontinuierlich weiterentwickelt. An erster Stelle stehe immer das Wohl des Kindes.

 

Mit dem Körperbild von essgestörten Frauen beschäftigte sich Dr. Tanja Legenbauer. Sie stellte Forschungsergebnisse zu Ursachen und Behandlungsansätzen von Essstörungen dar. Um Essstörungen wirksam zu therapieren, müsse zunächst das zugrundeliegende Körperbild der betroffenen Patienten betrachtet werden. Hier lägen oft Störungen vor und die zumeist weiblichen Betroffenen hätten eine verzerrte Wahrnehmung ihres Körperausmaßes, so die Dipl. Psychologin, die den Bereich Forschung und Testdiagnostik an der Universitätsklinik Hamm leitet. Studien zeigten eine deutliche Abweichung in der Selbsteinschätzung von gesunden und essgestörten Probanden. Die Wahrnehmung der Patienten sei nicht generell gestört, in Bezug auf den eigenen Körper fokussiere sich die Aufmerksamkeit aber ausschließlich dysfunktional auf negativ bewertete Eigenschaften.

 

Die Vorträge der externen Referenten wurden flankiert von Beiträgen von Vitos-Mitarbeiterinnen. So wurde das Vortragsthema aus der Perspektive des Behandlungsalltags auf der Frauenstation beleuchtet und um die praktische Dimension ergänzt.

Nach zwei Tagen mit komprimiertem fachlichem Input zogen die Veranstalter und die Teilnehmer ein durchweg positives Resümee. Aus der Tagung gingen wieder viele Impulse für den beruflichen Alltag hervor und der interdisziplinäre Austausch wurde als bereichernd empfunden.

 

Hintergrund:

Mit der seit 2002 bestehenden Frauenstation beschritt die Vitos Klinik für forensische Psychiatrie Neuland in der Behandlung von suchtkranken und straffälligen Frauen. Seitdem wird das Konzept der getrennten Unterbringung von Männern und Frauen mit genderspezifischem Therapieansatz umgesetzt und so der Rückfall in Sucht und Delinquenz in erheblichem Maße gesenkt.

Um eine Plattform für den überregionalen Austausch zu schaffen, wurde 2004 von Vitos Hadamar die Fachtagung zur frauenspezifischen Sucht und Delinquenzbehandlung ins Leben gerufen, die inzwischen deutschlandweit Beachtung findet. Im Zwei-Jahres-Rhythmus richten die Mitarbeiter der Frauenstation die Tagung aus. Es ist ein berufsgruppenübergreifendes Forum für alle, deren Arbeitsfeld sich mit suchtkranken Frauen und suchtkranken Straftäterinnen befasst.

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