Der Einladung der Ärztlichen Direktorin der Vitos Klinik für forensische Psychiatrie Gießen, Dr. Beate Eusterschulte, folgend trafen sich im Maßregelvollzug tätige Strafverteidiger/-innen, Richter/-innen, Staatsanwälte/-innen und psychiatrische wie auch psychologische Sachverständige zum „Forensisch-psychiatrischen Kolloquium“. Dieses Seminar findet seit Jahrzehnten am Standort Gießen statt und wurde wegen großer Nachfrage anlässlich des ersten Termins im Juni in diesem Jahr zweimal angeboten.
Die Ärztliche Direktorin informierte zunächst im Rahmen der Begrüßung über die Veränderungen im Hessischen Maßregelvollzug und die neue Kliniklandschaft im „§ 63“-Bereich, die sich durch die Teilung der Vitos Klinik für forensische Psychiatrie Haina in zwei eigenständige Betriebsstätten an den Standorten Haina und Gießen ergab. Sie stellte die aktuelle Situation im Maßregelvollzug dar und erläuterte außerdem die Notwendigkeit eines Paradigmenwechsels im Hinblick auf die psychiatrische Versorgung.
Der § 20 StGB bildete die konzeptuelle Klammer für die einzelnen Beiträge: Fachvorträge zu den Themenschwerpunkten Schuldfähigkeit, Eingangsmerkmale der §§ 20, 21 StGB, Risikoeinschätzung, Schnittstelle zur Unterbringung in eine Entziehungseinrichtung nach § 64 StGB und die aktuelle Reform des § 64 StGB. Dr. Thomas Wolf, Rechtsanwalt und Vorsitzender Richter am Landgericht Marburg i.R., führte im Rahmen seines Leitvortrags unter der Fragestellung „Was ist Sache des Gerichts?“ in das Thema ein. Daran anknüpfend stellten Mitarbeiter-/innen der Vitos Klinik für forensische Psychiatrie Gießen in Folgereferaten die Thematik unter psychiatrischen und psychologischen und ausländerrechtlichen Aspekten dar.
Nach Einführung der Ärztlichen Direktorin in das Thema und einem Impulsvortrag von Peter Thiel, Strafverteidiger aus Marburg, erörterten Vertreter/-innen der verschiedenen Fachrichtungen die Frage der Sachverständigenbeauftragung, insbesondere die Frage der Beauftragung von Psychiater-/innen und Psychologen-/innen. Erläutert wurden der geringe Bekanntheitsgrad der facharztäquivalenten Titel der Psychologen/-innen und die überkommene Auffassung vom medizinischen Charakter einschlägiger Diagnosen.
Für den weiteren Themenschwerpunkt der Inhalte und der Reform des § 64 StGB hielt die Ärztliche Direktorin der Vitos Klink für forensische Psychiatrie Bad Emstal, Birgit von Hecker, einen insbesondere aufgrund der kürzlich erfolgten Gesetzesänderung brandaktuellen Vortrag zum geänderten Wortlaut der Gesetzesbestimmung.
Es war erneut Konsens, dass die Kommunikation zwischen den Beteiligten essentiell ist. Am Ende der Veranstaltung nahmen zahlreiche Teilnehmer-/innen die Möglichkeit einer Stationsführung wahr.