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"Wir erreichen diejenigen, die sonst nicht in die Klinik gekommen wären."

Dr. Klaus Luippold© Vitos
Dr. Klaus Luippold ist Leitender Arzt des Vitos Klinikums Hochtaunus.

Vitos Behandlung Zuhause (BZH) ist eine Alternative zum Klinikaufenthalt: Menschen, die akut psychisch erkrankt sind, können sich auch zu Hause behandeln lassen.

Dr. Klaus Luippold ist Leitender Arzt am Vitos Klinikum Hochtaunus. Dort leitet er auch das Team von Vitos Behandlung Zuhause Bad Homburg. In diesem Interview schildert er, für welche Patient/-innen sich die Behandlung eignet und wo die Unterschiede zum Klinikaufenthalt liegen. 

Welche Patienten erreichen Sie mit BZH? 

Dr. Klaus Luippold: Wir erreichen mit unserem Angebot vor allem diejenigen, die sonst nicht in die Klinik gekommen wären. Mögliche Gründe sind, dass jemand zuhause einen Angehörigen pflegen muss, Haustiere zu versorgen sind oder Kinder im Haushalt leben. Außerdem sprechen wir Menschen an, die aufgrund ihrer Erkrankung, z. B. einer schweren Depression, nicht mehr aus dem Haus gehen, für die ein Anruf schon ein großer Kraftakt ist.

Gut behandeln können wir auf diesem Wege depressive Erkrankungen, Ängste, soziale Phobien, postnatale Depression, leichte wahnhafte Erkrankungen. Wichtig ist, dass die Patienten noch steuerungsfähig sind, es zum Beispiel schaffen, Termine wahrzunehmen. Wir behandeln auch Patienten mit gerontopsychiatrischen Krankheitsbildern. Bei ihnen geht es oft auch darum, die weitere Vorgehensweise zu planen und zu schauen, ob sie noch selbstständig leben können oder nicht.

Und für wen ist das Angebot nicht geeignet?

Dr. Luippold: Nicht geeignet ist die stationsäquivalente Behandlung für Menschen mit einer Eigengefährdung, einer Fremdgefährdung, einer akuten Sucht-Erkrankungen oder einer akuten schweren körperlichen Erkrankung.

Die Patienten erhalten eine individuell auf sie zugeschnittene Behandlung.

Dr. Klaus Luippold

Vitos Behandlung Zuhause© Vitos Rheingau
Täglich kommt ein Mitglied des Behandlungsteams zu einem Hausbesuch vorbei.

Wie läuft die Behandlung ganz praktisch ab?

Dr. Luippold: Wir sehen unsere Patienten jeden Tag – von Montag bis Sonntag. Sie bekommen ein individuell auf sie zugeschnittenes Wochenprogramm mit festen Besuchsterminen. Wir decken damit alle therapeutischen Bausteine ab, die man auch in der Klinik bekommen würde. Es gibt eine ärztliche Visite mit medikamentöser Beratung, Psychoedukation und der Diagnostik genauso wie Gesprächs- oder Verhaltenstherapie zusammen mit einer Psychologin oder zum Beispiel bewegungs- und konzentrationsfördernde Übungen, die eine professionelle Ergo- oder Bewegungstherapeutin ausführt.  Ein Besuch kann auch so aussehen, dass wir mit einer Patientin oder einem Patienten, die oder der unter großer sozialer Angst oder Antriebsstörung leidet, üben, vor die Tür zu gehen und unter Menschen zu kommen. Um alle Fragen, die über die medizinisch therapeutische Behandlung hinausgehen kümmert sich zudem eine Sozialarbeiterin im Team.

Unser Tag beginnt mit einer Teambesprechung um 8:30 Uhr. Hier besprechen wir, wie es wem geht, was es am Vortag für Besonderheiten gab usw. Danach fahren die Kollegen und Kolleginnen eigenständig zu den Patientinnen und Patienten. Dabei versuchen wir natürlich die Routenplanung möglichst effizient zu gestalten, so, dass wir nicht unnötig viel Zeit auf der Straße verbringen.

Nehmen Angehörige, die mit im Haushalt leben, an der Therapie teil?

Dr. Luippold: Oft sind auch Angehörige mit vor Ort. Sie sind willkommen teilzunehmen, es muss aber immer auch die Möglichkeit eines Vier-Augen-Gespräches geben. Angehörige sind manchmal aber auch unbewusst Teil einer belastenden Situation oder von Verhaltensweisen. Hier gilt es, die Angehörigen über die Erkrankung aufzuklären und „mit ins Boot“ zu holen. In den meisten Fällen sind wir aber sehr froh, wenn familiäre Unterstützung da ist.

Wie unterscheidet sich die Behandlung vor Ort von der in der Klinik?

Dr. Luippold: Die Patientinnen und Patienten erhalten eine intensive Therapie, die einem stationären Aufenthalt gleicht, ohne dafür ihr Zuhause verlassen zu müssen. Das bietet uns zusätzliche Einblicke, die wir sonst nicht bekommen würden und die Möglichkeit, uns intensiver mit dem Patienten auszutauschen. Die Wohnung ist oft ein Spiegel der Seele. Wir bekommen ein realistischeres Bild vom seelischen Zustand unserer Patientinnen und Patienten. Das eröffnet uns wiederum andere therapeutische Möglichkeiten als wir sie im stationären Klinikumfeld haben, z. B. im Rahmen der Expositionstherapie und wenn wir alltägliche Dinge zuhause üben können.

Nutzen Sie auch digitale Möglichkeiten, um den Kontakt zu halten oder die Behandlung zu intensivieren?

Dr. Luippold: Digitale Anwendungen passen natürlich sehr gut ins Konzept von Vitos Behandlung Zuhause. Mittlerweile gibt es einige E-Mental-Health-Apps, die man auf Rezept bekommen kann und die wir für sehr hilfreich halten. Für deren Nutzung bieten wir auch unsere Hilfe an und üben die Handhabung zusammen mit unseren Patientinnen und Patienten ein. Außerdem möchten wir eine digitale Gruppe ins Leben rufen, die sich per Videochat regelmäßig austauschen kann. In Zukunft wollen wir auch die Möglichkeit anbieten, dass sich unsere Patientinnen und Patienten per Video an uns wenden können, wenn es ihnen schlechter geht oder sie Redebedarf haben. Für Notfälle sind wir ohnehin tagsüber telefonisch zu erreichen und außerhalb unserer Zeiten kann man den Arzt vom Dienst der Vitos Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Bad Homburg anrufen.

Wie ist es, wenn Vitos Behandlung Zuhause nicht mehr ausreicht, weil sich das Krankheitsbild doch verschlechtert?

Dr. Luippold: Dann haben wir immer die Möglichkeit, einen Patienten stationär aufzunehmen.

Wie wird man Patient/-in bei Ihnen?

Dr. Luippold: Sie können sich direkt bei uns melden. Es kann eine Überweisung durch die Hausärztin oder den Hausarzt erfolgen oder es erfolgt eine Empfehlung einer Behandlung durch den niedergelassenen Psychiater bzw. die niedergelassene Psychiaterin. In der Regel findet dann ein Erstgespräch statt. Wir schauen ob das häusliche Umfeld geeignet ist und erklären die Behandlungsform. Eine Klinikeinweisung brauchen auch wir für die Behandlung Zuhause. Wir überweisen auch aus unserer Ambulanz, wenn wir merken, dass sich jemand vorstellt, für den BZH passen könnte.

Am Ende noch eine persönliche Frage: Warum haben Siesich als Arzt für diese neue Behandlungsform entschieden?

Dr. Luippold: Ich persönlich finde die Arbeit bei Behandlung Zuhause sehr bereichernd und vielfältig. Ich bekomme Einblicke, die ich sonst nicht hatte und der Kontakt zu den Patientinnen und Patienten sowie zu den Angehörigen ist sehr viel enger und intensiver. Außerdem bin ich Teil eines professionellen und engagierten Teams, in welchem ich mich sehr wohl fühle.

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