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50 Jahre Erziehungsstellen

40 Jahre Erziehungsstelle

Die Erziehungsstellen der Jugendhilfe feiern in diesem Jahr ihr 50-jähriges Jubiläum. Zu diesem Anlass haben wir mit einer Familie gesprochen, die seit 40 Jahren Erziehungsstelle ist und in dieser Zeit acht Kindern und Jugendlichen ein neues Zuhause gegeben hat.

Das gesamte Jubiläumsinterview finden Sie hier.

Jubiläumsinterview

Ulrike Bender, Leiterin der Vitos Jugendhilfe

Anlässlich des 50-jährigen Jubiläums haben wir mit Ulrike Bender, der Leiterin der Jugendhilfe gesprochen. 

1. Wie kam es zu der Idee, Erziehungsstellen zu gründen? Wie muss man sich das vorstellen?

Die in vielen Kinder- und Jugendheimen pädagogisch und menschlich unakzeptablen Zustände Ende der 60er Jahre gerieten zunehmend in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Die Politik war gefordert, Alternativen zu finden. Das Konzept war (und ist bei heute), die Vorteile einer professionell stattfindenden Heimerziehung mit den Vorteilen einer Familienunterbringung zu kombinieren. Die Idee der Erziehungsstellen wurde geboren.  Eine Familie oder auch Einzelpersonen verfügt über pädagogisches Know-How und wird betreut durch einen pädagogischen Fachdienst. Ergänzt wird durch regelmäßige externe Supervision, jährliche Weiterbildungsangebote und Treffen mit anderen Erziehungsstellen-Familien.

2. Was waren die Herausforderungen?

Zu Beginn stand der hohe Anspruch, Kinder aus Heimen einen Platz in einer Familie zu schaffen. Unterstützt durch die gesellschaftlichen Ansprüche war das persönliche Engagement sehr hoch, diese neue Idee umzusetzen. Neue Familien wurden über Zeitungsanzeigen gesucht. Die Mund zu Mund Propaganda spiele eine große Rolle. Außerdem gab es viele Mitarbeitende aus der stationären Heimerziehung, die das Modell der Erziehungsstellen begrüßten, um eine eigene Familie zu gründen und gleichzeitig ihre fachliche Qualifikation weiter zu nutzen.

3. Wie hat sich das Angebot etabliert?

Dass sich die Erziehungsstellen bis heute zu einem Erfolgsmodell entwickeln konnten, liegt an verschiedenen Faktoren. In der Bewerberauswahl werden interessierte Paare oder Einzelpersonen einem sorgfältigen Auswahlverfahren unterzogen. Dieses beinhaltete nicht nur die fachliche Qualifikation, sondern auch die Motivation der Bewerber. Die Aufwandsentschädigung ist deutlich höher als bei einer Pflegefamilie ohne professionelle Qualifikation. Die Betreuung durch die Fachberater der Vitos Jugendhilfe sowie die Beratung der externen Supervisoren unterstützen die Erziehungstellen-Eltern bei Problemen.

4. Wie hat sich die Arbeit im Laufe der Zeit gewandelt? Was hat sich geändert?

Das ursprüngliche Konstrukt einer Erziehungsstelle als professionelle Pflegefamilie besteht nach wie vor. Das Jugendamt übergibt die Betreuung und fachliche Begleitung einer Familie an den Fachdienst von Vitos. Das gemeinsame Ziel besteht darin, einen Platz für ein Kind zu schaffen, damit es in Sicherheit und Geborgenheit groß werden und sich entwickeln kann. Diese Haltung ist das verbindende Element. Seit der Einführung vor 50 Jahren gab es aber auch Akzentverschiebungen, so wäre ein homosexuelles Paar beispielsweise 1972 noch undenkbar gewesen. Auch wurde das Angebot dahingehend ausgeweitet, dass beispielsweise Kinder mit Behinderung in Erziehungsstellen ausgenommen werden und auch Familien ohne pädagogische Qualifikation sich erfolgreich als Erziehungsstellen etablieren konnten.

5. Welchen persönlichen Bezug haben Sie zum Thema Erziehungsstellen, Pflegefamilie, Pflegekinder?

Meine Eltern waren 1972 eine der ersten Erziehungsstellen, ich bin daher mit Pflegegeschwistern aufgewachsen. Das damalige Bewerberverfahren sowie die vielen Jahre als Erziehungsstelle haben mir persönlich einen Einblick in eine neue Welt geboten und mich in meiner persönlichen Entwicklung stark geprägt. Aufgrund dieser frühen Erfahrungen habe ich mich schließlich dazu entschieden, Sozialpädagogin zu werden.

6. Wie sind die Zukunftsaussichten für diesen Bereich der Jugendhilfe? Wie kann man dieses Angebot für potenzielle Pflegeeltern attraktiver gestalten?

Im Jahr 2017 hatten wir eine Hochphase mit rund 295 Plätzen in Erziehungsstellen. Inzwischen sehen wir uns vor der Problematik, dass viele unserer Erziehungsstellen-Eltern in Rente gehen und die jüngere Generation selbstständiger ist. Das bedeutet, dass bestehende Plätze wegfallen. Die Nachbesetzung der Stellen ist ein langwieriger und schwieriger Prozess. Wir haben daher in den vergangenen Jahren auch Familien als Erziehungsstelle aufgenommen, die über keine pädagogische Ausbildung verfügen. Dies ist durch die fachliche Beratung und Begleitung des Fachdienstes Erziehungsstellen möglich. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhalten eine kontinuierliche Fort- und Weiterbildung zu unterschiedlichen Themen, u.a Eingliederungshilf oder rechtliche Belange.

Der Fokus unserer Arbeit ist stets auf die aktuelle gesellschaftliche Situation ausgerichtet. Wie sieht die Realität einer Familie aus?

Heute müssen wir in unserer Haltung wieder politischer werden und mit unseren Dachverbänden beispielsweise über die Anpassung der Sozialleistungen verhandeln.

 

Vielen Dank für das Gespräch!

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